Adíos Colombia, hallo Deutschland!

Hallo ihr Lieben,

seit gut fünf Wochen bin ich wieder gut zurück in Deutschland. Ich habe mich schon wieder sehr und vor allem schnell in der Heimat eingelebt. Auch wenn einiges noch ein wenig komisch beziehungsweise anders ist, gefällt es mir wieder richtig gut hier.

In den folgenden Zeilen möchte ich noch über die letzten Wochen berichten, da die Zeit nochmal sehr intensiv war und ich viel erlebt habe. Außerdem möchte ich einen kleinen Rückblick geben und meine Zukunftspläne kundtun und Euch als meine treuen Leser ein „fettes Dankeschön“ aussprechen.

Anfang September ging der Countdown bis zum Rückflug immer schneller. Nachdem wir endlich unser kleines Problem mit dem Visum gelöst hatten, standen auch schon unsere Nachfolger vor der Tür. Wir haben sie herzlich empfangen und ein kleines Willkommenscamp mit ihnen durchgeführt. Einerseits hatten wir uns riesig gefreut unsere Nachfolger von WI kennenzulernen, die jetzt in unseren Projekten weiter arbeiten werden. Andererseits war es für die meisten von uns auch der Beginn des Verabschiedens. Zeit für viel Traurigkeit blieb mir jedoch nicht, da ich Geburtstag hatte und dieser sehr intensiv gefeiert wurde. An meinem Geburtstag selbst hat mich meine Nachbarin/ Vermieterin mit einem leckeren Frühstück überrascht. Danach bin ich in mein Projekt, in die Behindertenwerkstatt WAIMA, gegangen und wurde sofort ins Nebengebäude geschickt und sollte spontan die Yoga-Stunde halten, da die Lehrerin nicht konnte. Als wir zurück kamen war alles wunderschön geschmückt, es wurde gesungen und Torte gegessen.

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Am Abend bin ich mit einer Freundin in eine Tanzstunde gegangen und im Anschluss sind wir mit Freunden noch Essen gegangen. In den folgenden Tagen wurde ich noch von meiner Gastfamilie zum Essen eingeladen und meine Freunde haben für mich eine Überraschungsfete geschmissen. Auch in der Schule wurde ich von süßen Briefen und kleinen Geschenken der Schüler und Lehrer überrascht. Ich war wirklich überwältigt und glücklich was für tolle Freundschaften ich in diesem Jahr doch geschlossen habe.

Hier ein paar Bilder unserer Aufführung.

 

Zu Beginn des Jahres wollten Nils und ich eigentlich mit den Schülern einen kleinen Garten auf dem Schulgelände mit sogenannten „Estivas“ (Holzpaletten) anlegen. Leider hat dies irgendwann nicht mehr funktioniert und wir hatten die Paletten total vergessen. Ich wollte dieses Projekt allerdings unbedingt noch zu Ende bringen, weswegen ich mit einer neunten Klasse in deren Kunstunterricht „Wertepaletten“ daraus gestaltet habe. Die Schüler sollten sich dazu in Kleingruppen Gedanken über Werte machen, die ihnen wichtig sind. Im Anschluss bekam jede Gruppe eine Palette und durfte diese bunt mit den Werten gestalten. Der Hausmeister Don José hat sie danach gleich auf dem Schulhof aufgehängt.

 

Auch bei WAIMA gab es nochmal richtig viel zu tun: Sie veranstalteten einen großen Markt in einem der größten Unternehmen von Medellín. Gleichzeitig fand dort eine Gesprächsrunde mit Politikern über mehr Rechte für Menschen mit Behinderten statt, die sehr konstruktiv und fruchtbar war.

Unsere Nachfolger heißen Johanna und Ben und werden Nils und mich in der Schule Pequena Maria ablösen und in unserer Wohnung leben. Für deren Anfangszeit haben wir zwei tolle Gastfamilien gesucht, während wir noch in der Wohnung gelebt haben. Wir haben dann auch ein kleines Camp mit den beiden veranstaltet und sie überall vorgestellt und eingeführt. Anfangs haben wir die Unterrichtsstunden noch selbst gegeben, während uns die beiden zuguckten, danach haben wir die Stunde zusammen und am Ende hat Johanna die Stunde schon alleine gehalten und ich war nur zur Hilfe dabei. Sie wird auch weiterhin zu WAIMA gehen, was mich sehr glücklich macht, da dieses Projekt echt Unterstützung benötigt.

Neben all den vielen tollen Ereignissen und Einführungstagen verging die letzte Zeit so schnell und schon stand der Abschied vor der Tür. Auf der einen Seite war ich natürlich sehr traurig, dass ich jetzt zurück fliegen muss und hier alles, was wir im vergangenen Jahr aufgebaut hatten, hinter mir lassen muss. Aber viel mehr war ich einfach nur stolz auf das, was wir erreicht haben. Außerdem war mit klar, dass mein Freiwilligendienst zu Ende war und jetzt die Zeit der Nachfolger kam, die das Arbeiten in den Projekten mit Sicherheit toll machen, so wie ich sie erlebt habe. Deshalb konnte ich mich guten Gewissens verabschieden und mich auf einen neuen Lebensabschnitt in Deutschland freuen.

Zu meiner Überraschung haben mir meine Freunde und mein Theaterkurs noch eine riesengroße Abschiedsfete organisiert, was mich zu tiefst gefreut hat. Leider konnte ich die ganzen Verabschiedungen nur nicht ganz so genießen, weil ich nochmal so richtig krank geworden bin und eigentlich mit über 40 Grad Fieber im Bett lag beziehungsweise liegen hätte sollen. In meiner Not hat mich mein lieber Mitbewohner Nils zur Apotheke gefahren, wo ich eine „Wunderspritze“ in den Hintern bekommen habe und somit die letzten Tage und den langen Rückflug noch gut überstanden habe.

Auch der Rückflug war nochmal ein kleines Abenteuer, als wir unseren letzten Anschlussflug verpasst hatten und dann erst noch mit dem Zug in London an einen anderen Flughafen fahren mussten, kamen wir doch noch am selben Abend  in München an. Auf dem Bild seht ihr meinen Mitfreiwilligen Markus und ich mit seiner Pappschildkröte.

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Ich kann jedem nur empfehlen einmal mit einer Pappschildkröte im Handgepäck zu fliegen, um vielen Flughafenmitarbeitern und anderen Passagieren ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Mit ein bisschen Verspätung sind auch wir „drei“ dann  gut in Deutschland angekommen und wurden herzlichst von meiner Familie empfangen.

Mein Freiwilligendienst in Kolumbien ist nun vorbei, aber ich würde durchaus sagen, dass diese Zeit für mein Leben positiv geprägt hat. Auch wenn ein Freiwilligendienst natürlich Schattenseiten hat, weil man  z.B. lange von zu Hause weg ist und sich  oftmals ins „kalte Wasser“ geworfen fühlt, überragen für mich die positiven Aspekte eines derartigen Dienstes. Ich hatte die Möglichkeit eine neue Sprache, Kultur und Lebensverhältnisse kennen zu lernen. Vielen tollen Menschen bin ich begegnet, woraus einige tiefe Freundschaften entstanden sind. Im voneinander Lernen, konnten meine Schüler und auch ich einiges Neues dazu gewinnen, aber vor allem bin ich dankbar über alles was ich von den Leuten dort mitnehmen durfte. In gewisser Weise ist mein Dienst auch noch nicht zu Ende, da ich jetzt meine Erfahrungen und Sichtweisen mit in meine  deutsche Kultur hineinnehmen werde und hoffentlich zu viel Diskussion anregen wird. Allein über die Themen Sicherheit und Frieden in Kolumbien werde ich oft befragt und es ergeben sich mit meinen deutschen Freunden gute Gespräche, denn ich habe ja in meinem Jahr sogar den Friedensprozess hautnah miterlebt. Abschließend möchte ich sagen, dass ich ein geniales Jahr mit vielen Höhen und auch ein paar Tiefen hatte und überglücklich bin, dass ich diesen Schritt damals gewagt habe. Ich durfte mich selbst näher kennen lernen und habe mich persönlich weiterentwickelt. Einige meine Sichtweisen über „Gott und die Welt“ haben sich verändert und ich lebe jetzt auf jeden Fall bewusster, lege viel Wert auf Nachhaltigkeit, Ökologie und Müllreduktion, hinterfrage an vielen Stellen unsere Konsumgesellschaft und vieles mehr. Mich hat dieser entwicklungspolitische Freiwilligendienst sehr weitergebracht und ich würde ihn auf jeden Fall wieder machen, aber jetzt beginnt erstmal eine neue Etappe.

Ab November werde ich jetzt evangelische Theologie in Neundettelsau studieren und freue mich schon sehr darauf.

Ein großes Dankeschön möchte ich meiner Organisation der Weltweiten Initiative für weltweites Engagement e.V. für ihre Unterstützung aussprechen.

Zu guter Letzt möchte ich Euch, meinen treuen Lesern und Unterstützern ein riesen „fettes“ DANKESCHÖN aussprechen, dass ihr dieses lange und intensive Jahr interessiert mit mir geteilt habt. Nicht alle von Euch kennen die Aktion, aber ich habe noch vor meinem Dienst eine Spendenaktion gemacht, wo viele Freunde und Bekannte gegen eine kleine Spende auf meinem T-Shirt unterschrieben haben. Ihr selbst ward zwar nicht dabei, aber Euren Namen habe ich auf diesem Shirt mit nach Kolumbien getragen.

Muchas gracias!

Saludos,

Alexandra

Schulsystem in Kolumbien

“Education is the most powerful weapon which you can use to change the world.” – Nelson Mandela

Zu Deutsch: Bildung ist die stärkste Waffe, um die Welt zu verändern.

Dieses Zitat von Nelson Mandela finde ich sehr gelungen. Vor allem durch meine Erfahrungen in einem der ärmeren Viertel Medellíns kann ich bestätigen, dass ein guter Schulabschluss ein Schritt in ein besseres Leben ist. Das trifft natürlich nicht nur auf Medellín zu, sondern gilt für die ganze Welt. Im folgenden Artikel möchte ich das kolumbianische Schulsystem und den Alltag vorstellen, sowie Probleme und Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen.

Im Alter von fünf Jahren besuchen die Kinder die Vorschule, genannt „Educación Preescolar“. Mit sechs Jahren kommen die Schüler in die erste Klasse und besuchen die Grundschule bis zur 5. Klasse. Dabei sind die staatlichen Schulen absolut gratis. Im Anschluss folgt eine weiterführende Gesamtschule, die bis zur 11. Klasse geht, wo die Schüler den Abschluss „Bachillerato“ erhalten können. Ab der sechsten Klasse müssen die Eltern jedoch je nach Einkommen einen gewissen Teil an Schulgeld an staatlichen Schulen bezahlen. Private Schulen werde ich hier nicht aufführen, diese sind jedoch meist kostenpflichtig.

Nach dem „Bachillerato“ machen viele Schüler eine Ausbildung oder besuchen eine Universität. Jedoch erreichen nicht alle diesen Titel, denn die Schulpflicht beinhaltet nur die allgemeine Grundausbildung 1. – 9. Klasse. Trotz Schulpflicht gibt es einige Schulabgänger nach der Grundschule, weil in ländlichen Gebieten oftmals nicht die Möglichkeiten gegeben sind, eine weiterführende Schule zu besuchen.

Allerdings gibt es immer Möglichkeiten seinen Abschluss nachzuholen, indem man sogenannte „Nocturnas“ (Abendschulen) oder „Sabatins“ (Samstagsunterricht) besucht. Jedoch gibt es dieses System nicht an allen Schulen.

Die Pequena Maria, an der ich meinen Freiwilligendienst leiste, ist eine Gesamtschule und geht von Vorschule bis 11. Klasse mit „Nocturna“ an drei Abenden in der Woche. Da es eine private Schule ist und von gemeinnützigen Trägern unterstützt wird, müssen die Schüler überhaupt keine Schulgebühren zahlen.

Das Bildungssystem ist geprägt durch die „Constitucion Nacional“ aus dem Jahre 1991 und weiteren Bildungsgesetze 1994. Allein an den Jahreszeiten kann man erkennen, dass das Bildungssystem ein wenig veraltet ist und dringend eine Überarbeitung, laut der Lehrer mit denen ich gesprochen habe, bräuchte.

Die Stundenanzahl wird von den jeweiligen Einrichtungen selbst festgelegt. Das Schuljahr beginnt meist im Januar, aber es gibt auch einige privaten Schulen, die sich nach dem Schulkalender richten, wie wir ihn in Deutschland haben.

Der Schulalltag sieht so aus, dass die meisten Schulen in zwei bis drei Schichten arbeiten. Zum Beispiel die 6. – 11. Klässler kommen am Morgen von 6:30 Uhr bis 12:30 Uhr, danach die Grundschüler von 12:40 Uhr bis 18 Uhr und im Anschluss die Abendschüler bis 21:30 Uhr. Da ist dann wirklich den ganzen Tag etwas los und die Türsteher haben dabei die Aufgabe zu überwachen, wer wann das Gebäude betreten oder verlassen möchte. Die Tür ist auch immer zu gesperrt, also man kommt nicht so einfach rein oder raus. Auch die Schuluniform ist überall im Land Pflicht und jede Institution hat dafür ihre eigene. Somit kann man immer erkennen, in welche Schule das Kind mit der jeweiligen Uniform geht. So sieht die Uniform der Pequena Maria aus:

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Die Benotung geht von null bis fünf, wobei die Note fünf das Beste ist. Ab einem Schnitt von 2.9 hat man die Disziplin nicht bestanden und wenn man im Zeugnis zwei Mal schlechter als die Note 3 hat, besteht man das Jahr nicht. Diese Benotung erscheint mir ein wenig härter, jedoch gibt es am Ende jeder Periode sogenannte „refuerzos“, wo man in einer Woche nochmal alles mit Hilfe des Lehrers nachlernen kann und durch einen weiteren Test seine Note retten kann. Die Note ausgleichen, kann man jedoch nicht.

Die Unterrichtsatmosphäre ist auch anders, als ich es aus Deutschland gewohnt bin. Meist ist der Unterricht ein wenig lockerer und es gibt bei weitem nicht so viele Tests. Denn es wird eben nur am Ende einer Periode eine kleine Klausur geschrieben, wo die Schüler Ankreuzaufgaben bearbeiten müssen. Meine Schüler haben am Anfang auch komisch geschaut, als sie bei meinem Test selbst schreiben mussten und keine Häkchen machen mussten. Die Klassen sind auch um einiges größer, als ich es aus Deutschland kannte. Meist sind so um die 45 bis 60 Schüler in einer Klasse und haben dabei auch noch sehr unterschiedliches Alter. Einige Schüler sind einfach schon vier Mal durchgefallen und sind immer noch in der 2. Klasse, da ist es logisch, dass diese dann schon um einiges älter sind, als ihre Mitschüler.

Der Umgang mit den Lehrern ist meist sehr liebevoll und so begrüßen sich Lehrer und Schüler meist mit einer Umarmung oder Küsschen auf die Wange. Auch werden die Lehrer hier mit dem Vornamen angesprochen. Ich werde also immer „Profe Alexa“ genannt. Bei den Schulfächern gibt es keine großen Unterschiede, es wird jedoch sehr viel mehr Wert auf religiöse Erziehung gelegt. Schon die Lehrer beten und lesen aus der Bibel am Morgen und im Unterricht wird immer zu Beginn gebetet. Außerdem müssen alle Schüler den Religionsunterricht besuchen und es gibt keine andere Möglichkeit für zum Beispiel Atheisten.

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Wenn ich mich mit Kollegen ueber das kolumbiansiche Schulsystem unterhalte, ist schnell herrauszuhoeren, dass sie nicht sehr zufrieden damit sind und es verglichen mit anderen Laendern einige mehr Probleme gibt. Die im folgenden angesprochenen Schwierigkeiten basieren vor allem auf meinen Erfahrungen, die ich in der Pequena Maria sammeln durfte und den Gespraechen, die ich mit den anderen Lehrern gefuehrt habe. Mit Sicherheit findet man die meisten Probleme auch an anderen kolumbianischen Schulen, jedoch moechte ich klar betonen, dass die Pequena Maria in einem aermeren Viertel liegt und nicht alle Institutionen diese Schwierigkeiten haben.

Punkt Nummer eins, was das Lernen und Lehren sehr schwer macht, sind die viel zu großen Klassen. Zwar gab es im Jahre 2009 einen Beschluss, dass die Klassen nicht größer als 45 Schüler sein duerfen, jedoch ist auch das noch zu groß und kann auch meist nicht eingehalten werden. Die Schüler einscheinen oft nicht regelmäßig zum Unterricht, was zum einen an der meines Erachtens fehlenden Maßnahmen der Institution liegt, denn in Deutschland wäre es nie im Leben moeglich einfach so oft zu fehlen, weil es zum Beispiel ein bisschen regnet. Zum anderen fehlt oftmals die Unterstützung der Eltern, die dafür sorgen sollten, dass ihr Kind regelmäßig den Unterricht besucht. Auch was die Leistung der Schueler angeht, merkt man ganz genau, welche Familien hinter ihren Kindern stehen und Ihnen vor allem in den ersten Jahren auch zu Hause unter anderem die Hefte nochmal mit ihnen durchgehen. Oftmals kommen die Kinder aus sehr schwierigen Familienverhaltnissen, wo sich keiner richtig für sie interessiert, weil die Mutter zum Beispiel sehr früh ungewollt schwanger wurde oder sogar vergewaltigt wurde. Es gibt aber auch einige Faelle, wo die Eltern sich sowohl für ihre Kinder interessieren, sie nur einfach keine Zeit dafür haben, weil sie Tag und Nacht arbeiten müssen, um etwas zu Essen auf dem Tisch zu haben.

Andere Eltern sind arbeitslos und das „Refrigerio“ (kleiner Jogurt, Frucht und Brot) ist oftmals die einzige Mahlzeit für einige Kinder am Tag. Da ist es natürlich auch selbstverständlich, dass diese Kinder oft müde sind, im Unterricht einschlafen und generell schlecht aufnahmefähig sind. Vor ein paar Tagen hat eine andere Lehrerin einen meiner Zweitklaessler ins Sekretariat gebracht, weil ihm sehr schwindelig war und er Fieber und Schüttelfrost hatte. Seine Mutter hat derzeit keine Arbeit, weshalb er seit Tagen kaum etwas gegessen hatte und auch extrem abgemagert ist. Wir haben ihm dann ersteinmal Zuckerwasser und Brot serviert, bis er von seiner Mutter abgeholt wurde. Es hat mich wirklich traurig gemacht, den Jungne so zu sehen, da es für unsereins kaum vorstellbar ist, nichts im Kuehlschrank zu haben und mit Dauerhunger leben zu müssen.

Zudem gibt es viele Schulabgänger, die gerade einmal die Grundschule beenden und dann arbeiten gehen muessen, um ihre Familien finanziell zu unterstuetzen.

Ein anderes Problem ist die Einstellung einiger Schueler. Viele haben einfach keine Lust auf Schule (gibt es in Deutschland natürlich auch… :D) und verfallen dann den Drogen und Alkohol. Diese Tendenz ist auch immer früher bei Jugendlichen zu beobachten. Auch die mit Pablo Escobars entstandener Kultur dem „Facilismo“ (soviel Geld so schnell und so einfach wie moeglich zu bekommen) trägt dazu bei, dass viele Jugendliche lieber durch Kriminalität und Drogen Geld verdienen wollen, als zur Schule zu gehen, um nach dem Abschluss einen anständigen Beruf zu lernen.

Die schlechte Bezahlung der Lehrer zeigt eine weitere Schwierigkeit auf. So schlecht ist die Bezahlung der Lehrer auch nicht, aber im Vergleich zu dem was sie leisten, ist der Lohn viel zu niedrig. Das führt natürlich dazu, dass eigentliche, gut geeignete und hochqualifizierte Dozenten diesen Beruf auf Grund der Bezahlung nicht ausführen wollen. Somit gibt es oftmals einen großen Mangel an Lehrern und diejenigen die oftmals Lehrer werden, haben keine gute Ausbildung. Das können wir bei den Englischlehrern gut beobachten und ohne ihnen jetzt zu Nahe zu treten, aber unser Englisch ist oftmals viel besser nach dem Abitur als das der Lehrer, die die englische Sprache an der Universitaet studiert haben.

Vor ein paar Jahren gab es eine kleine Studie ueber die Englischkompetenzen der Kolumbianer. Diese hat ergeben, dass gerade einmal 7 % der Bachillerato – Schüler (Abschlussschüler) die Note befriedigend erreicht haben und der Rest sogar noch schlechter. Auch die getesteten Lehrer haben nicht viel besser abgeschnitten, da auch nur erschreckende 12% der qualifizierten Englischdozenten das Minimallevel erreicht haben. Noch ein kleiner Fun-Fact im Anschluss: Die Einstufung in Leistungsniveaus orientiert sich am europaeischen System A1-C2, allerdings mussten die Kolumbianer noch weitere Level darunter einführen, damit die Meisten überhaupt eingestuft werden konnten.

Auch auf staatlicher Ebene gibt es einige Ungerechtigkeiten. Zum einen ist die Regierung sehr korrupt und verteilt das Geld nicht gerecht. Dabei wird zum Beispiel Großstädten viel mehr Geld für Bildung zur Verfügung gestellt, als ländliche Gebieten. Zum anderen ist die staatliche Bildung viel schlechter im Vergleich zu privaten Institutionen. Somit haben reiche Kinder viel bessere Chancen auf höhere und bessere Bildung.

Des letzteren existiert einfach kein klares, durchsichtiges Schulsystem und ist vielmehr ein Chaos aus verschiedenen Ansätzen aus Europa und den Vereinigten Staaten.

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Im Folgenden möchte ich nicht weiter die Probleme vertiefen, sondern nun auf Verbesserungsvorschläge eingehen.

Um die Schulsituation in Kolumbien zu verbessern, sollte zu allererst die Regierung aktiv werden und durch Einbeziehung der Lehrer, Schüler und Eltern das Schulsystem überarbeiten mit der Grundidee „Igualidad de Oportunidades“ (gleiche Chancen für alle). Zudem soll die Bildung an staatlichen Schulen der an privaten Institutionen angeglichen werden und härtere Gesetze sollen das System unterstützen. Komplett kostenlose Bildung inklusive nahrhaftem Mittagessen und den nötigen Schulmaterialien wäre vor allem in den ärmeren Regionen eine große Hilfe. Einer meiner persönlichen Lieblingsverbesserungsvorschläge ist eine Höchstklassengröße von nur ca. 25 Schülern einzuführen, denn dadurch könnte die Qualität der Lernatmosphäre für Lehrer und Schüler um einiges verbessert werden. Außerdem sollten weitere Programme eingeführt werden, die auf Themen wie sexuale Erziehung, Drogen und Alkohol eingehen und dadurch zur Prävention beitragen könnten.

Der folgende Punkt bezieht sich eher auf Medellín und stammt von meinem Kollegen Cesar und lautet: „Es importante de ensenar que hay una vida detrás de la montana!“ Auf Deutsch übersetzt: Es ist wichtig, dass wir den Schülern beibringen, dass es auch Leben hinter dem Berg gibt. Da Medellín komplett im Tal liegt könnte man glatt meinen, dass es dahinter nicht weiter geht. Dabei ist es gerade in der heutigen Zeit der Globalisierung so wichtig seinen Horizont zu erweitern und zum Beispiel an seinen Englischkenntnissen zu arbeitet. Vielen Schülern ist das nämlich egal, weil sie in Medellín ja kein Englisch bräuchten.

Was die Verbesserungsvorschläge seitens der Lehrer angeht, wäre zum einen eine bessere Bezahlung von Nöten und zum anderen eine bessere Auswahl der Professoren beziehungsweise qualifiziertere Aus- und ständige Weiterbildungen.

Zu guter Letzt sollten die Familien mehr einbezogen und die Wichtigkeit der Schulbildung ihrer Kinder deutlich gemacht werden. Außerdem könnte ein Hilfsnetzwerk für Schüler und Familien eine Unterstützung bei Problemfällen sein.

Dies alles sind Ideen, die die momentane Schulsituation Kolumbiens verbessern könnte. Einige Punkte existieren sogar schon auf Papier, allerdings ist das Hauptziel des Staates, dass die Kinder von der Straße weg sind und unterstützt keine anderen Maßnahmen. Das führt natürlich zu den schlechten und kontraproduktiven Konditionen an den Schulen.

Eine gesamtheitliche Verbesserung ist laut Cesar auch nur möglich, wenn es keine Korruption mehr gibt und die Gelder wirklich dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Das kann meines Erachtens leider noch dauern, aber bis dahin können einzelne Institutionen die Situation vor Ort verbessern und kleine Wunder bewirken. Vielleicht schaffen es ja sogar einige Schulen das angestrebte Ziel zu erreichen und zwar im Jahre 2025 zweisprachig zu unterrichten.

Außerdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass die Politiker sich irgendwann stärker für das Schulsystem einsetzten, wenn sie feststellen, dass die Bildung für junge Leute sehr wichtig ist, weil diese die Zukunft Kolumbiens sind.

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Von der Wüste nach Panama und auf den Hausbau

Hallo ihr Lieben,

jetzt ist es schon ein ganzes Weilchen her, seitdem ich mich das letzte Mal bei Euch gemeldet habe. Die letzten drei Wochen im Juni hatten wir Sommerferien in denen ich noch ein bisschen gereist bin, aber dazu gleich mehr. Im Juli haben wir wieder ganz normal gearbeitet und einige Projekte vorangebracht, dass es jetzt höchste Zeit wird, ein bisschen über unsere Tätigkeiten zu berichten.

Zu allererst möchte ich gerne ein wenig von meiner Reise erzählen. Zusammen mit Franziska, einer WI-Mitfreiwilligen bin ich mit dem Bus in die Guajira (nördöstlichstes Bundesland an der venezolanischen Grenze) gefahren. Nach 20 Stunden im Bus kamen wir in Riohacha an und haben sofort einen extremen Klimawechsel gespürt. Die meiste Zeit haben wir bei Couchsurfern kostenlos übernachten können oder unser Zelt für wenig Geld aufstellen dürfen. Couchsurfing ist eine weltweite Internetplattform, wo man bei Mitgliedern überall auf der Welt unterkommen kann. Das Tolle daran ist, dass diese einem viele gute Tipps mit auf den Weg mitgeben können und man zudem ein bisschen außerhalb der Bagpacker-Szene Urlaub machen kann. Nach unserer ersten Nacht in Hängematten mit Blick aufs Meer bei einem Couchsurfer, haben wir die zweite Nacht spontan in einem relativ armen Fischerdorf verbracht. Am Vortag wollten wir spätnachmittags eine Flamingo-Bootstour machen. Leider hat es so stark gewittert, dass es Franzi und mir zu riskant war aufs Wasser raus zu fahren. Als es dann schon dunkel war, hat uns Camillo, der älteste Sohn der 8-köpfigen Familie angeboten, dass er die Tour gleich am nächsten Morgen mit uns macht und wir bei seiner Familie unterkommen können. Diese Nacht war meiner Meinung nach einer der spannendsten Erfahrungen auf unserer Reise, denn wir konnten einen kleinen Einblick darüber bekommen, wie die Menschen in diesem Fischerdorf leben. Als der Regen ein wenig nachgelassen hat, haben uns die kleinen Kinder an den Händen gepackt und uns den Strand gezeigt. Abends gab es ein Stück frischen Fisch mit Platano (Kochbanane) und Käse zu essen. Bevor wir ins Bett gegangen sind, wollten wir nochmal eine Toilette aufsuchen. Das war jedoch gar nicht so einfach, denn die Familie besitzt keine. Deshalb sind wir mit der Mutter durch das halbe Dorf zu einer befreundeten Familie gelaufen, wo wir das Plumpsklo benutzen durften. Das war auch wirklich kein Problem für uns. Was uns dann allerdings sehr verwundert hat, dass die ganze Familie vor dem kleinen Flachbildfernseher die Telenovela geschaut hat. Das war auch nicht die einzige Familie, die keine Toilette, dafür aber einen Flachbildfernseher hat. Franziska und ich konnten es uns nicht erklären, aber wahrscheinlich ist es einfacher und billiger einen Fernseher zu besitzen als die nötigen Wasserleitungen und Abwasserrohre zu verlegen und sein Geschäft kann man ja auch gut draußen erledigen. Die Familie hat uns zwei super bequeme Hängematten aufgehängt und dann haben wir zusammen mit der ganzen Familie im selben Raum geschlafen. Wir waren sehr beeindruckt, wie gastfreundlich wir aufgenommen wurden und wie hilfsbereit die Familie ist. So gegen sechs Uhr morgens sind wir dann aufgestanden und mit Camilo in einem kleinen Kanu auf die Lagune gefahren, an den Ort, wo sich die Flamingos aufhalten. Auch im Gespräch mit Camilo haben wir festgestellt, wie verschieden unsere momentanen Leben und Kulturen sind. Während wir gerade unseren Freiwilligendienst machen und die Welt entdecken, ist er (18 Jahre alt) frischgebackener, überglücklicher und stolzer Papa, zusammen mit seiner 17-jährigen Frau. Franziska und ich sind älter als die beiden und können uns momentan noch lange nicht vorstellen eine Familie zu gründen. Aber das sind eben die kulturellen Unterschiede, die wir hier kennenlernen dürfen.

Von Riohacha aus sind wir dann in den Norden nach Cabo de la Vela und Punto de Gallina, dem nördlichsten Punkt von Südamerika gefahren. Die Guajira ist eine sehr trockene und wüstenartige Provinz. Danach haben wir die komplette Karibikküste gen Westen bis zur Grenze Panamas abgeklappert. Zwischendrin haben wir Stopps in Palomino, Cartagena und Minca gemacht, meinen Gastbruder Aiman (er hat 2015 bei meiner Familie in Deutschland gelebt) in Santa Marta besucht, sind durch den Nationalpark Tayrona gewandert und vieles mehr…. Die letzte Woche haben wir in Capurgana, einem wunderschönen Dorf an der Grenze Panamas erreicht. Dort kommt man auch nur mit dem Boot hin, was einem das Gefühl gibt, man wäre auf einer Insel. Allein über die Reise könnte ich so viel erzählen, darum fasse ich mich jetzt kurz: Es waren wunderschöne drei Wochen mit Franziska, in welchen wir noch ganz viele andere Seiten Kolumbiens enddecken durften. Gerne erzähle ich mehr darüber, wenn ich im September zurückkehre und bis dahin gibt es jetzt noch ein paar Bilder.

 

Zurück in Medellín ging es gleich ganz normal in meinen Projekten weiter. Die Leute aus meinem +1-Projekt, der Behindertenwerkstatt Waima haben mich auch richtig herzlich mit einem Schild mit der Aufschrift „Herzlichen Willkommen Alexa, wir haben dich sehr gern“ empfangen. Darüber habe ich mich sehr gefreut und gemerkt, wie viele enge Freundschaften ich hier geschlossen habe.

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Ich habe mich so sehr über das Schild und vor allem die überschwänglichen Begrüßungen gefreut 🙂

Bei Waima arbeite ich jetzt auch einen Tag beziehungsweise samstags noch ein paar mehr Stunden, wo wir in einer kleineren Gruppe überlegen, wie wir die Organisation voran bringen können. Als aller erstes haben wir dazu letzte Woche die ganze Werkstatt ausgeräumt, ausgemistet und umgeräumt. Jetzt ist meiner Meinung nach der Platz viel besser genutzt und wir können viel besser arbeiten.

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Nach unserer Aufräumaktion haben wir Julianas Geburtstag gefeiert 🙂

Seit meinem Urlaub gebe ich Sandra, einer Freundin der Chefin von Waima, privat Deutsch-Unterricht. Sie ist 25 Jahre alt und wird ab  Anfang September in Wien an einem Musikkonservatorium Operngesang studieren. Begleitet wird sie dabei von ihrem Blindenhund Kira. Eigentlich mag sie es überhaupt nicht, ständig auf ihre Behinderung reduziert zu werden oder sogar bemitleidet beziehungsweise bevorzugt zu werden. Ich habe lange überlegt, ob ich ihre Behinderung deshalb hier erwähne, aber ich finde sie kann ein Vorbild für viele von uns sein. Schon in der ersten Stunde war ich völlig von den Socken, wie schnell sie die deutsche Sprache lernt. Ich hatte großen Respekt davor einer Blinden Sprachunterricht zu geben, aber ich muss ihr die meisten Wörter nur ein, zwei Mal laut vorsagen und schon wiederholt sie diese mit einer sehr guten Aussprache. Nicht nur ihre schnelle Aufnahmefähigkeit ist Beeindruckens wert, auch wie sie daran arbeitet ihre Träume zu verwirklichen und wie sie mit Diskrimination umgeht. Schon als sie ein Kind war, wusste sie, dass sie eines Tages in einem anderen Land studieren möchte und die Welt erkunden will. Ich würde sagen, da ist sie auf einem sehr guten Weg. Auch um ihr Visum hat sie sich allein gekümmert, was wirklich viel Aufwand ist. Ich habe ihr nur die letzten Tage noch ein bisschen geholfen, da es ein paar Probleme gab und ich auf Deutsch gewisse Dokumente formuliert und andere übersetzt habe. Sie meinte schon, dass die österreichische Botschaft mich sicherlich als Übersetzerin unter Vertrag nehmen will, aber ich glaube eher, dass sie sich eher über die „unprofessionelle“ Übersetzung schlapp lachen. 😀 Ich hoffe jetzt wirklich, dass alles mit ihrem Visum funktioniert und sie noch vor mir nach Europa fliegt.

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Sandra und ihre Hündin Kira 🙂

Auch in meinem Hauptprojekt, der Schule Pequena Maria läuft alles wie gewöhnlich. Mittlerweile merkt man echt kleine Fortschritte bei den Kids und da macht es doch gleich viel mehr Spaß sich vor die Klasse zu stellen.

Vergangene Woche konnten wir auch endlich unser Stopp-Mobbing-Theaterstück aufführen. Das Stück hat mein sechs-köpfiger Theaterkurs selbst geschrieben beziehungsweise improvisiert, bei dem auch ich eine Rolle bekommen habe. Die Geschichte handelt von Kevin, der afrokolumbianische Wurzeln hat und somit „Schwarzer“ ist. Er kommt neu in die Klasse und wird von Anfang auf Grund seiner Hautfarbe diskriminiert. Ich spiele (wie könnte es nur anders sein… :D) die Englischlehrerin, die jedoch nicht viel im Stück zu tun hat. Kevin hält es nicht mehr aus und will die Schule wechseln. An dieser Stelle durfte das Publikum entscheiden, wie das Stück ausgeht. Ihr könnt Euch auch sicherlich vorstellen wie…. Natürlich ist er an der Schule geblieben und seine Mitschüler haben sich bei ihm entschuldigt. Denn wir müssen unsere Mitmenschen mit Respekt behandeln und zwar so, wie wir wollen, dass auch sie mit uns umgehen. Auch Inklusion wird an der Schule groß geschrieben und das haben wir spontan und unbeabsichtigt mit in das Stück gebaut. Denn Felipe, ein 10. Klässler mit Downsyndrom hat zusammen mit Eduard den Vorhang gehalten und die verschiedenen Szenen angesagt. Das hat ihm riesen Spaß bereitet und er wollte die Aufmerksamkeit ein wenig auf sich verlagern und hat deswegen im Hintergrund immer Grimassen gezogen. Somit war es für das Publikum noch lustiger und naja das Stück war ja eh improvisiert…. 😉 Das Theaterstück haben wir der kompletten Grundschule, das heißt 1. bis 5. Klasse aufgeführt. Die kleineren Schüler waren wirklich sehr begeistert und es hat echt Spaß gemacht, endlich mal zu zeigen, woran wir die letzten Wochen gearbeitet haben.

In den nächsten Wochen wollen wir noch an einem richtigen Theaterstück arbeiten und das auch noch aufführen.

Ein weiteres kleines Projekt, an dem wir die letzten Wochen tätig sind, ist der Hausbau für Dona Olga. Meine Freundin Estefania ist ein sehr dankbarer Mensch und sie wollte einfach mal einer armen Familie einen Einkauf vorbei bringen und damit etwas Gutes tun. Dazu hat sie mit einer Lehrerin in einem ärmeren Viertel Kontakt gehabt, die ihr die Adresse von Dona Olga und ihren sechs Kindern gegeben hat. Dort hat sie beobachtet in welchen Konditionen die Alleinerziehende momentan mit ihren Kindern lebt. Vor Jahren, als sie noch arbeiten gehen konnte, hatte sie nebenan begonnen ein Haus zu mauern. Dann wurde jedoch ihre kleine Tochter sehr krank und auch aus Sicherheitsgründen konnte sie ihre Kinder nicht mehr alleine zu Hause lassen, während sie zur Arbeit geht. Sie ernähren sich nur von Resten, die sie auf den Märkten geschenkt bekommt und leben momentan in einer undichten Holzhütte, die bei jedem kleinen Regen durchflutet wird. Estefania hat sich nun das Ziel gesetzt bis Ende September das Geld für die Materialien durch Spenden zu bekommen und das Haus mit Freunden und Bekannten fertig zu bauen. Nils und ich haben schon an einer speziellen Yoga-Stunde teilgenommen, die ein Freund und Yoga-Lehrer organisiert hat und die freiwilligen Spenden in den Hausbau geflossen ist. Vergangenen und diesen (und eventuell auch noch den darauffolgenden…) Sonntag sind wir zu Dona Olga gefahren und haben das Haus weitergebaut. Ihr Nachbar, Don Bolivar ist Maurer und er gibt uns Anweisungen, beziehungsweise überwacht die Arbeiten, damit es nicht danach gleich wieder zusammenfällt. Das letzte Mal waren wir drei Frauen und zwei Männer und wir haben immer den Zement auf den Steinen und in den Zwischenräumen verteilt, während der Profi die Steine gerade ausgerichtet hat. Er hat auch erst ein bisschen verdutzt geschaut, was denn wir „Frauen“ bei einem Hausbau zu suchen hätten, aber dann haben wir ihm gleich einmal gezeigt, dass auch „Frauen“ arbeiten können. Wir hatten wirklich viel Spaß dabei und es gab viel zu lachen. Währenddessen hat Dona Olga ein leckeres Mittagessen für alle aus den Zutaten, die wir mitgebracht haben, zubereitet. Auch war es richtig toll, dass ihre Kinder und vor allem ihr ältester Sohn Juan so tatkräftig mitgeholfen haben. Jetzt hoffen wir, dass wir mit noch mehr Verstärkung am kommenden Sonntag fertig werden und Dona Olga und ihre Kinder endlich ein richtiges Dach über dem Kopf haben.

Zum Abschluss gibt es noch, wie anfangs schon, noch eine Klo- Geschichte. Denn auch während des Hausbaus musste ich irgendwann einmal sehr dringend eine Toilette aufsuchen. Ich hatte mir schon gedacht, dass sie kein WC besitzen, weshalb ich vorsichtig gefragt habe, wo sie denn ihre Geschäfte erledigen. Ich glaube Dona Olga war es ein wenig unangenehm mir zu sagen, dass sie keine Toilette besitzen… Sie hat mich dann trotzdem mit ihrer kleinen Tochter mitgeschickt, die mich dann in ihr privates Schlafzimmer geführt hat, wo ein einfacher Eimer stand, in dem ich mein Geschäft verrichten sollte. Das wäre noch wirklich nicht so schlimm für mich gewesen, aber die Tatsache, dass die älteste kranke Tochter ca. einen Meter von mir entfernt im Bett geschlafen hat, war mir dann doch sehr unangenehm… Auch hier kam ich dann aus dem Zimmer heraus und mir ist sofort der Fernseher ins Auge gefallen. Das ist für mich immer noch unvorstellbar, dass es einfacher und billiger ist, einen Fernseher zu besitzen, als eine Toilette, aber das sind eben die Unterschiede…

 

Ich hoffe Euch geht es allen gut und ihr genießt den deutschen Sommer. Jetzt sind es auch nur noch knappe zwei Monate, bis ich wieder nach Deutschland zurückkomme. Wie schnell doch die Zeit verging, habe ich auch festgestellt, als ich bei der Sekretärin Nalia zu Hause war. Ihr Tochter Maria José ist zwei Tage nach unserer Ankunft in Kolumbien geboren und ich habe sie schon in der ersten Woche damals im Arm gehalten und jetzt…

 

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… ist sie schon so groß

 

Liebe Grüße und bis bald,

Eure Alexandra

Von Osterprozessionen, Dharma-Findung, „TH“ und Wasserrutschen

Hallo ihr Lieben,

ich hoffe, euch geht es allen gut! Hier bei mir in Medellín läuft alles sehr gut. Die Zeit vergeht wie im Flug und das Klima ist oft noch auf Winter eingestellt. Naja wenn die Menschen hier von Winter reden, denke ich sofort an etwas anderes, aber für den „kolumbianischen Winter“  muss es eigentlich nur regnen und automatisch wird es auch ein bisschen kälter. Somit kann man „Sommer“ und „Winter“ an einem Tag erleben. Auch wenn Ostern jetzt schon wieder eine gefühlte Ewigkeit her ist, möchte ich euch trotzdem noch erzählen, wie dieses Fest hier gefeiert wird. Außerdem habe ich in der Schule ein zusätzliches Projekt mit der Englischlehrerin veranstaltet, worüber ich gerne berichten möchte. Aber dazu später mehr.

„Semana Santa“ bezeichnet die heilige Woche von Palmsonntag bis Ostersonntag. Diese Woche hatten wir auch frei, was ich gleich genutzt habe, um ein wenig zu verreisen. In dieser Zeit ist es auch üblich, dass man viele Osterprozessionen sieht. Bei einer Prozession hier bei uns in Manrique bin ich sogar mitgelaufen. Alle hatten grüne Zweige dabei und nach den vielen Gebeten sind alle hinter dem Pfarrer singend durch die Straßen gezogen und haben wild mit ihren Zweigen gewedelt.

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Bei der Osterprozession 🙂

Am Montag in der Semana Santa bin ich mit Nataly, Mateo und Fabio (Freunde und gleichzeitig auch Lehrer an meinem Projekt) zusammen nach Horizonte zu einer anderen Lehrerin gefahren. Am Hinweg haben wir einen kleinen Zwischenstopp in „San Pedro“ gemacht und waren in einer Fischerei, wo wir unsere Forellen selbst angeln durften, die uns danach frittiert wurden und somit hatten wir ein super leckeres Frühstück. Im Anschluss ging es gleich weiter auf den Motorrädern und überraschende zwanzig Minuten später (nicht zwei Stunden, wie man uns erzählt hatte, als wir nach dem Weg gefragt haben) standen wir vor einem grünen Tor (gefühlt im Nirgendwo) in der Nähe des Dorfes Horizonte. Maribel, auch eine Lehrerin an der Pequena Maria, hat dort zusammen mit ihrer Familie ein kleines Häuschen in Mitten der Natur, mit gigantischem Ausblick, beeindruckender Stille und Landluft vom feinsten. Dort angekommen erwartete uns gleich ein typisches Mittagessen: „Frijoles con Chicharrón“. Das ist ein Bohneneintopf mit Bauchspeck serviert mit Arepa (Maisfladen), Reis und Salat. Unser Plan war eigentlich am Nachmittag wieder zurück nach Medellín zu fahren, denn der Weg dauert mindestens drei Stunden, jedoch hatte sich unser Plan schon während des Mittagessens geändert und es war klar, dass wir übernachten werden. Am Nachmittag bin ich dann zusammen mit den Jungs und dem älteren Sohn von Maribel in das nahegelegene Dorf namens „Horizonte“ gelaufen und wir haben von Santiago eine kleine Dorfführung bekommen. Es war beeindruckend, dass er fast das ganze Dorf kennt und in jedes zweite Haus wurden wir hereingebeten und haben einen Fruchtsaft bekommen. Das war wieder eine Situation, in welcher ich merkte, wie Gastfreundlich die Menschen hier sind und das nicht nur zu Ausländern  (wie zu mir) sondern auch zu anderen Kolumbianern. Horizonte ist ein sehr schnuckeliges, schönes Dorf, aber auch sehr klein und echt abgelegen. Da es in den Bergen liegt, hat man eigentlich von überall aus eine wundervolle Sicht über das Cauca-Tal. Am Ende kam noch ein Freund auf seinem Pferd „Dulcenia“ (was so viel wie „Süße“ übersetzt bedeutet) vorbei und da ich vor Jahren eine begeisterte Reiterin war, durfte ich einfach aufsteigen und eine Runde durch das Dorf drehen. Auch Fabio und Santiago sind erfahrene Reiter und haben eine kleine Runde gedreht. Am Abend haben wir alle zusammen vor dem Lagerfeuer gesessen, ein bisschen Bier und Aguardiente getrunken (wie könnte es nur anders sein… J ) und Billiard gespielt.

Am nächsten Morgen sind wir gleich nach dem Frühstück nach Medellín zurückgefahren, allerdings einen anderen Weg als den, den wir gekommen sind. Wir wollten noch durch ein paar schöne Dörfer, wie „Sabaneta“ fahren, die im Cauca-Tal liegen. Cauca ist ein Fluss, der durch Antioquia fließt und in dieser Region ist es meist sehr sehr heiß. So auch an diesem Tag, was mehr Qual für uns auf den Motorrädern war, denn wir hatten dicke Jacken an, weil es bei Maribel oben am Berg nachts sehr kalt wurde. Der Unterschied, je weiter runter wir gefahren sind, war enorm und wir konnten unsere Jacken auch leider nicht ausziehen, sonst hätten wir uns an der Sonne extrem verbrannt.

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Und zurück gings wieder nach Medellín 🙂

Am Ende sind wir noch Mittagessen gegangen und nach einem Regenschauer kurz vor Medellín dann auch endlich nass zu Hause angekommen.

Von Mittwoch bis Samstag bin ich dann zusammen mit meiner Freundin Estefania und ihrer Schwester nach San Rafael auf einen Yoga-Trip gefahren. Wir waren nicht direkt in San Rafael, sondern in einem ökologischen Reservat, namens „Zafra“, kurz vor dem Dorf. Ich war noch nie auf einer Yoga-Fahrt, aber es hat mir wirklich außerordentlich gut gefallen. Ich habe am kristallklaren Fluss gezeltet, wo tagsüber immer eine Pferdeherde gegrast hat. Der Tagesablauf sah so aus, dass wir um kurz nach 5 Uhr von einer Klingel geweckt wurden und dann schweigend duschen sollten und dann im Tempel zusammen kamen, um zu meditieren. Im Anschluss haben wir verschiedene Mantras gesungen, was für mich auch eine neue Erfahrung war und ich es entgegen meinen Erwartungen als sehr positiv empfunden habe. Danach gab es einen kleinen Workshop, zum Thema Yoga und den verschiedenen Praktiken und nach der morgendlichen Yogastunde, gab es dann so gegen halb elf Uhr endlich Frühstück beziehungsweise ein Brunch. Frisch gestärkt hat sich die sechzig Mann Gruppe dann aufgemacht und ist durch die wunderschöne Natur am Fluss entlang gewandert. Immer wieder sind wir an Wasserfällen vorbei gekommen und haben uns eine Erfrischung gegönnt. Die Gruppe war auch sehr interessant. Ich war auch nicht die einzige Ausländerin, neben einer Portugiesin, einer Holländerin und vielen mehr. Alleine wie viele interessante, liebe Menschen ich dort kennenlernen durfte, war sehr toll. Nach dem großen Spaziergang gab es nochmal eine Yogastunde und nach dem Abendessen haben wir meistens nochmal meditiert oder ein Ritual gemacht, bevor sich jeder in sein Zelt oder ins Bett begeben hat. Die letzte Nacht durfte sogar auch ich in einem bequemen Bett schlafen, da bei meinem geliehenen Zelt überraschungsweise das Über-Zelt gefehlt hatte und beim letzten Regen das provisorische Plastik erst vom Wind weggeweht wurde und mein Zelt dann total überflutet war und meine gesamten Sachen natürlich klitschnass waren.

Auf der Fahrt habe ich auch festgestellt, dass diese „Yoga-Auszeit“ unter dem Motto „finde dein Dharma (Berufung)“  stand, was perfekt gepasst hat, denn ich wollte mir gezielt einmal ein paar Tage Zeit nehmen, um zu überlegen, was meine Pläne in Deutschland sind, wie und was ich und ob studieren will, wenn ich zurück kommen. Die „Erleuchtung“ hatte ich dort nicht, aber es waren vier wunderschöne, entspannte Tage, an denen ich so tiefenentspannt war, wie schon lange nicht mehr und die Auszeit aus der Großstadt Medellín sehr genossen habe. Auch die Besitzer waren superlieb und das vegetarische Essen war der Hammer.

Samstagabend kam ich dann wieder zu Hause in Medellín an und wollte mich eigentlich noch ein wenig ausruhen, bevor es um 24 Uhr dann in die Ostermesse ging, die bis 6 Uhr in der Früh ging. Allerdings kam dann auch schon Nils mit seinen Eltern aus Cartagena zurück und vor lauter Erzählen hatte ich letztendlich keine Zeit mehr mich auszuruhen. Kurzfristig wurde uns dann auch noch mitgeteilt, die Messe würde schon um 23 Uhr anfangen, was nur herum erzählt wurde, damit die Einheimischen einigermaßen pünktlich kommen. Letztendlich ging es dann erst um 00:30 Uhr los und ich hätte schon zu Beginn einschlafen können. Aber es war doch sehr spannend, dass nicht jeder einfach die Kirche betreten hat und sich irgendwo hingesetzt hat, sondern je nach Comunidad (Kirchengruppe) wurden die Bänke verlost. Ich hatte das Glück, dass ich mich zu Freunden setzten durfte. Zu Beginn der Messe hat man den Pfarrer vor der Kirche bei einem großen Feuer gesehen, wo das Osterlicht dann in die Kirche getragen wurde. Im Anschluss wurden sieben Geschichten aus der Bibel vorgelesen, was jeweils durch ein Vorwort eingeleitet und durch ein Gebet und Lied beendet wurde. Nach drei Geschichten hat der Pfarrer die Kinder über die vorher gehörten Erzählungen ausgefragt und für die Erwachsenen war Raum der Gemeinde das mitzuteilen, was ihnen auf dem Herzen lag. Insgesamt haben die sieben Geschichten ca. vier Stunden gedauert. Im Anschluss wurde noch ein Baby im Taufbecken getauft und danach gab es das große Abendmahl, wo echtes Brot und Wein durch die Reihen vergeben wurde. Ganz zu Letzt wurde noch ein Lied gesungen, wozu die Gemeinde einen großen Kreis um den Altar gebildet hat und an den Händen gehalten in bestimmter Schrittfolge Runden gedreht hat. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es eine wirklich tolle Erfahrung war, die ich nicht missen möchte. Allerdings war es während des Gottesdienstes eine reine Qual für mich, denn ich war so müde und wollte eigentlich nur in mein Bett. Am Ende bin ich sogar schon im Stehen, beim Singen und während ich eigentlich mitgeklatscht habe, eingenickt… 😀 Wir haben auch immer wieder Süßigkeiten gegessen, um von dem Zuckerschock wieder ein bisschen wacher zu werden. Um 6 Uhr war der Gottesdienst dann vorbei und die ganzen „Comunidades“ sind mit verschiedenen Bussen zu Restaurants gefahren, um dort ein großes Festmahl zu essen. Auch hier wurde vorher gefastet, wobei es sich meist eher auf die zwei Tage vor Ostersonntag bezieht, an denen sie nichts beziehungsweise nur Flüssiges zu sich nehmen und dann noch während der Ostermesse fasten, bis es dann ein fünfgängiges Menü gibt. Nils und ich sind jedoch nur kurz in die Bäckerei gegangen und haben ein Croissant und eine heiße Schokolade getrunken und sind dann ganz schnell ins Bett verschwunden.

Der Ostermontag war hier einmal kein Feiertag, was uns sehr verwundert hat, weil es hier so viele Feiertage gibt. Darum haben wir wieder ganz normal gearbeitet, während Nils Eltern noch bei uns zu Besuch waren, was das Programm danach ein bisschen anders gestaltet hat. Am darauf folgenden Samstag gab es noch eine wichtige Messe, die auch noch zum Osterfest gehörte, die ich auch noch besucht habe. Überraschenderweise ging diese nur drei Stunden lang, was sich aber auch nicht kurz angefühlt hat.

Jetzt möchte ich euch noch kurz über meine Englisch-Aussprache-Woche mit der Englischlehrerin Lewis erzählen. Sie hatte mich gefragt, ob ich sie nicht eine Woche lang begleiten könne und in jeweils einer ihrer Doppelstunde mit den Schülern an der englischen Aussprache zu arbeiten. Natürlich kann ich in sechzig Minuten keine Wunder bewirken und bin auch kein Muttersprachler, aber ich konnte ihnen sicherlich ein paar gute Tipps mit auf den Weg geben und eine Abwechslung im Unterricht war es auch. Nur war die Englischlehrerin jetzt kurzfristig an diesen Tagen verhindert zur Schule zu kommen und ich durfte sie somit komplett vertreten. Das war schon eine ganz andere Nummer, denn ich musste somit schon um 6 Uhr morgens anfangen, war jeweils alleine mit den Klassen und hatte die komplette Verantwortung. Zum Glück hatte ich so viele Unterrichtsmaterialien vorbereitet, dass es kein Problem war, spontan zwei, anstatt nur eine Stunde zu füllen. Allerdings waren einige Klassen eine wirkliche Herausforderung für mich. Normalerweise unterrichte ich nur bis zur zweiten Klasse Englisch, abgesehen vom Englisch- und Theater – Workshop, zu denen die älteren Schüler freiwillig kommen.  Für dieses Projekt jedoch war ich in allen 6. bis 11. Klassen und den Schülern blieb keine Wahl. Mit den höheren Klassenstufen konnte ich meist super gut arbeiten, aber gerade die 6. und 7. Klassen waren oft wirklich nicht einfach. Im Nachhinein glaube ich aber, dass es auch ein bisschen daran lag, dass ich von allen Lehrern vorher bemitleidet und gewarnt wurde, dass diese Klassen so schrecklich sein sollten und dass man kaum Unterricht dort halten kann. Und genauso war es auch. Ich bin schon mit der Einstellung, die mir vorausgesagt wurde in die Klasse gegangen und natürlich war es manchmal mehr Chaos als Unterricht. In der Teufelsklasse 7B war mir dann auch alles so „Scheißegal“, wie den meisten Schülern und dann haben wir eben nicht mehr die (meines Erachtens J ) tollen Aktivitäten zur englischen Aussprache gemacht. Leider haben darunter natürlich die wenigen Schüler gelitten, die echt Lust auf meinen Unterricht hatten. Während des Mittagessens hat mich das auch echt zum Nachdenken gebracht und ich habe mir für die folgenden Stunden vorgenommen, neutraler und unvoreingenommener vor die Klasse zu treten. Am nächsten Tag stand die nächste 6. Klasse an, von der ich ebenfalls nichts Gutes zu hören bekommen hatte, aber ich wollte dieses Mal mit einem anderen Gefühl als all die anderen Lehrer aus dieser Stunde gehen. Natürlich habe ich mir auch einige Gedanken davor gemacht, wie ich das ganze machen werde. Erstens dachte ich mir, ich werde nicht herum schreien, auch wenn es noch so laut sei. Eigentlich weiß ja jeder, dass das sowieso nichts bringt, aber ganz schnell ist man wieder am herumbrüllen, wenn es bei 50 Schülern einfach nicht ruhig wird. Zweitens werden wir Regeln zum besseren Klassenklima gemeinsam beschließen, an die sie sich halten sollen. Nun bin ich also mit mehr Motivation und vor allem einer anderen Autorität vor die Klasse getreten und war begeistert. Es war fast so wie vor kleinen Schäfchen zu unterrichten und auch wenn es mal laut wurde, habe ich schnell die Aufmerksamkeit wieder bekommen und wir hatten eine tolle Stunde. Selbst der Koordinator, der genau über diesem Klassenzimmer sein Büro hat und man auf Grund der nicht sehr schalldichten Wände alles hört, hatte sich schon gewundert, was denn in dem Klassenzimmer los ist, dass es so überraschend ruhig war.

Auch wenn diese Woche extrem anstrengend für mich war, weil nachdem diese Vertretungsstunden um 12:30 Uhr vorbei waren, gingen um 12:40 Uhr gleich meine normalen Stunden weiter und ich war letztendlich 12 Stunden in der Schule, hat es mir sehr gut gefallen. Außerdem habe ich so viel dabei gelernt, was ich keinesfalls missen möchte. In dieser Woche war ich komplett auf mich alleine gestellt, denn normalerweise dürfen wir ja aus versicherungstechnischen Gründen gar nicht alleine unterrichten und die Lehrer sind bei den anderen Stunden ja auch meist anwesend. Zudem war es auch nicht so einfach sich als „Lehrerin“ vor die älteren Schüler zu stellen, die fast genauso alt sind wie ich. Aber im Großen und Ganzen, hat es echt total viel Spaß gemacht. Wir haben viel gelacht und meines Erachtens haben beide Seiten davon profitiert.

Auch in meinem 4 + 1 Projekt, der Behindertenwerkstatt WAIMA, wo ich immer donnerstags bin, gibt es Neuigkeiten zu berichten. Denn wir haben alle zusammen einen kleinen Ausflug in einen Wasserpark gemacht, was ein sehr tolles Erlebnis war. Schon im Vorhinein fand ich es sehr erstaunlich, wie aufgeregt alle waren und vor allem welch eine riesen Vorfreude alle auf diesen Ausflug hatten. Für umgerechnet weniger als 5€ pro Person hatten wir einen privat Bus für die Hin- und Rückfahrt gebucht und auch der Eintritt war mit in begriffen. Auch Nils ist mitgefahren, weil jeder Familie oder Freunde mitbringen durfte. Wir waren eine große Gruppe und glücklicherweise haben uns im Wasser ständig zwei Rettungsschwimmer begleitet, denn alleine hätten wir das mit so vielen Leuten nicht geschafft. Denn einige können nicht schwimmen und andere, zum Beispiel die blinden Menschen haben einfach dauerhaft einen kleinen Helfer gebraucht. Es war so toll zu beobachten, was für einen Spaß die ganze Gruppe hatte und auch wir haben uns prächtig amüsiert. Nach dem Mittagessen, was sich jeder mitgenommen hatte, haben wir uns noch ins „Pueblito Paisa“ auf einen Kaffee gesetzt. Das ist ein kleines, typisch nachgebautes Dörflein im Wasserpark mit einigen Restaurant und Cafés. Dort haben wir dann noch so eine Art „Wahrheit oder Pflicht“ (allerdings nur mit Pflicht) gespielt und es war echt super lustig. Verschiedener könnte diese Gruppe wirklich nicht sein, aber genau das macht sie aus und es ist beeindruckend zu sehen, wie sich alle gegenseitig helfen und da fällt es eigentlich gar nicht mehr auf, dass sie Behinderungen haben.

Letzte Woche haben sie dazu eine, meines Erachtens wirklich coole These aufgestellt, die da frei übersetzt lautet: „Es sind nicht wir <<die Behinderten>> am Rande der Gesellschaft, sondern die Gesellschaft ist behindert, weil sie uns nicht als gleichwertige Menschen akzeptiert!“ Ich finde, das ist mal eine Ansage und leider stimmt es wirklich und ist nicht nur für Kolumbien, sondern eigentlich auf den Rest der Welt zutreffend. In Kolumbien werden vor allem behinderte Menschen nicht gut in die Gesellschaft integriert und Inklusion gibt es hier durchaus, aber die Art und Weise wie es gehandhabt wird, ist meiner Meinung nach durchaus verbesserungswürdig. Ich kann natürlich auch nicht allzu viel darüber sagen, da ich keinen großen Einblick in die Lage habe. Aber was ich bisher mitbekommen habe und auch an der Schule erlebt habe, lässt mich diese Sichtweise über die Dinge haben. Beispielsweise haben wir auch an der Schule ein paar Kinder mit körperlichen und geistigen Behinderungen und sie laufen auch ganz normal gemäß ihrer Altersgruppe von Jahr zu Jahr im Unterricht mit, aber sie bräuchten meines Erachtens eine zusätzliche Sonderbetreuung. Toll ist aber zu sehen, dass es hochmotivierte Organisationen wie WAIMA gibt, die einfach Schritt für Schritt kleine Zeichen in der Gesellschaft hinterlassen wollen und auch beim Staat für mehr Rechte für behinderte Menschen kämpfen.

Wir haben auch endlich unser Traummobile bei WAIMA fertig gebastelt und jetzt können unsere Träume von einer besseren Welt ja nur noch in Erfüllung gehen… J

So genug Welt-Verbesserungs-Geschwafel… Abschließend noch eine ganz kurze Anekdote aus meinem letzten Donnerstag bei WAIMA, als die Yoga-Lehrerin ganz kurzfristig absagt hat und ich dann gebeten wurde, ohne jegliche Vorbereitung die Stunde zu halten, weil sich ja schon alle so sehr darauf gefreut haben. Gut, zum Glück praktiziere ich selbst seit einigen Monaten Yoga und war ja auch auf dem Trip wie oben beschrieben. Aber es ist echt nochmal eine ganz andere Nummer eine Gruppe Leute anzuleiten, wo die meisten körperliche Einschränkungen haben und das dann noch auf Spanisch, als einfach nur selber im Kurs teilzunehmen. Dennoch hat es ihnen sehr gefallen und auch mir hat es großen Spaß bereitet.

In diesem Sinne „Namaste“ und bis bald!!

Eure Alexandra

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Und zu allerletzt noch liebe Grüße von Gregor, der Euch sicherlich lieber in den Hintern kneifen würde, denn das tut er für sein Leben gerne… 😀

Projektbeschreibung Pequeña Maria Wohnort Manrique – Las Nieves

Hallo ihr Lieben,

ich hoffe Euch geht es auch allen so gut wie mir. Dieses Mal ist es kein richtiger Blogbericht, sondern unsere Projektbeschreibung. Ich dachte mir , dass es auch für Euch interessant ist, wie unsere Nebenprojekte und vor allem unsere Wohnumgebung so ist. Einiges kann sich auch Widerholen, gerade was das Projekt angeht, habe ich das meiste schon in anderen Artikeln geschrieben. Aber wie sagt man doch nochmal so schön…. „Doppelt hält besser..?“ Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!!

Eure Alexandra

  1. Hauptprojekt: Colegio Pequeña Maria

Unser Hauptprojekt ist die Fundación Aldea Celeste Institución Educativa Pequeña Maria, eine Schule, die von Vor-, über Grund- und Weiterführende-, bis hin zur Abendschule geht. Die Schule wurde durch die Einnahmen eines Benefizkonzertes eines bekannten Violinisten aus Italien finanziert, den der Rektor Héctor Soto kennt. Der Schulleiter ist ein beeindruckender Mensch, der eine große Familie hat (12 Kinder).

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Klasse 9A

1.1 Lage der Schule

Die Schule liegt am Nordost-Hang der Stadt, in einem Vertriebenenviertel namens Carpinelo, welches sich in der Comuna 1 Popular befindet. Die Leute fliehen vor allem vom Land in die Stadt oder aus anderen konfliktreichen Vierteln in Medellín. Die ganze Stadt ist formal in Estractos von eins bis sechs eingeteilt, welche angeben, wie hoch der Lebensstandard der Menschen ist. Die Schule gehört zum Estracto eins und befindet sich somit in einem ärmeren Barrio (Viertel).

1.2 Verkehrsanbindung zur Schule

Bis vor die Schule fahren nur die privaten Busunternehmen (Esperanza No. 056). Man kann auch mit Metro und danach Metrocable bis Santo Domingo fahren und im Anschluss zur Schule hoch laufen oder auch die Esperanza nehmen. Auch besteht die Möglichkeit zu Fuß zu gehen. Dazu benötigt man ca. 40 min nach Hause und hinwärts ein bisschen mehr, weil es nur bergauf geht. Wenn man Glück hat, kann man auch beim Rektor im Auto mitfahren.

1.3 Schulalltag

Der Schultag beginnt normalerweise um 6:30 Uhr für die Schüler der Secundaria, das heißt 6.- 11. Klassen. Gegen 10 Uhr treffen alle Lehrer der Vor- und Grundschule ein und nutzen die Zeit bis Unterrichtsbeginn zum Vorbereiten. Um 12:30 Uhr endet der Unterricht für die Schüler der Secundaria und schon ab 12:40 Uhr geht es für die Vor- und Grundschüler los. Diese bleiben dann bis 17:40 Uhr (beziehungsweise die Vorschüler nur bis 17:00 Uhr) und ab 18 Uhr geht es gleich für die Abendschüler weiter. In die Abendschule (Nocturna) gehen Schüler, die schon viel zu alt für die jeweilige Altersstufe sind oder vor Jahren die Schule abgebrochen haben und jetzt gerne ihren Abschluss noch nachholen möchten. In diesen Klassen kann der Altersunterschied schon sehr groß sein. Da trifft dann zum Beispiel ein 15 Jähriger mit einem 70 jährigen Opa zusammen.

1.4 Tätigkeitsfelder des Freiwilligen

Der Freiwillige kann sich seinen Stundenplan größtenteils selbst zusammenstellen nach seinen Vorlieben und Talenten. Der einzige Wunsch der Schulleitung ist, Englisch in Vorschule, erster und zweiter Klasse zu unterrichten, weil es für diese Altersstufen keinen Englischlehrer gibt. Das bedeutet, dass die Freiwilligen für diese Stunden genauso wie andere Lehrer ihren Unterricht vorbereiten, in die Planeación eintragen müssen und auch die Schüler benoten sollen. In der Ausführung der Stunden ist man sehr frei, denn es gibt kaum Vorgaben und auch keinen genauen Lehrplan. Das Gute daran ist, dass man somit viel Singen und kreatives Basteln kann oder Spiele spielen kann. Ganz alleine ist man auch nie, denn die Klassenlehrer dürfen uns aus Versicherungsgründen nicht alleine mit der Klasse lassen. Jedoch halten sich diese meist im Hintergrund und nutzen die Zeit für andere Arbeiten. Die Klassen bestehen aus zwischen 40 und 60 Schülern, was das Unterrichten manchmal nicht ganz so leicht macht, jedoch wächst man mit seinen Aufgaben.

Abgesehen vom Englischunterricht in den unteren Stufen, den sich die Freiwilligen aufteilen können, darf sich jeder Freiwilliger seine restlichen Stunden selbst suchen. Dafür gibt es einige Möglichkeiten. Zum einen könnt ihr noch mehr Englisch- beziehungsweise Deutschunterricht zum Beispiel in der Abendschule geben, sofern das Angebot nicht vorhanden ist. Zum anderen könnt ihr Semillerios (AGs-Arbeitsgruppen) anbieten, wie zum Beispiel Theater, Chor, Tanzkurs, Basteln, kreatives aus Müll herstellen, Umwelt-AG, Fußball- oder andere Sportkurse, Musikunterricht (sofern die benötigten Instrumente besorgt werden können), Deutsch, Englisch (Aussprache und Spielestunde), andere Sprachen oder was auch immer euch Kreatives einfällt, beziehungsweise eure Stärken liegen. Da die Schule relativ überfüllt ist und manche Klassen ab und zu Unterricht auf dem Gang halten müssen, gibt es die Möglichkeit diese Kurse in einem Raum von der Kirche nebenan zu geben. Außerdem gibt es einen Sportplatz in der Schule, der jedoch meistens von Lehrern besetzt ist oder ihr geht zu einem anderen Sportplatz, der nur zwei Gehminuten unterhalb der Schule liegt.

An manchen Samstagen können die Freiwilligen einen so genannten Aktionstag mit dem Psychologen Juan Soto gestalten. Der Schulpsychologe lädt immer wieder gewisse Altersstufen ein, um Aufklärungsarbeit über Sexualität, Alkohol oder Drogen zu machen. Zeitgleich können die Freiwilligen andere Aktivitäten anbieten und die Gruppen rotieren dann von Angebot zu Angebot. Beispielsweise können Fußball- oder andere Sportturniere, Bastelaktionen, Theatereinheiten, Tanzkurse oder was auch immer veranstaltet werden.

Wie ihr seht hat man viele Möglichkeiten, seiner Kreativität freien Lauf zu lassen, wobei man immer aufpassen sollte, dass man sich nicht zu viel aufhalst, denn die ganzen Stunden kosten auch Vorbereitungszeit, die man miteinberechnen sollte.

Zudem läuft nicht jede Schulwoche gleich ab, denn es gibt viele Ausnahmetage und auch die Zeiten vor und nach den Ferien sind anders. Da kann der Freiwillige sich auch immer wieder bei den verschiedensten Sachen mit einbringen, wie zum Beispiel beim Abschlussball aufbauen und bedienen helfen oder bei Casa Autor, einem Theaterprojekt der ganzen Schule Hand anlegen.

1.5 Kollegium

Das Kollegium besteht aus ca. 50 Personen, angefangen mit Portier/Hausmeister, Reinigungskräfte, Lehrer, Sekretärin, Koordination bis hin zur Schulleitung. Wir Freiwilligen wurden vom ganzen Team herzlichst aufgenommen und sind fester Teil des Kollegiums. Bei Fragen wird einem sofort geholfen, viel miteinander gelacht, Feste gefeiert und gerne auch das Mittagessen untereinander geteilt. Manche Lehrer sind auch im ähnlichen Alter, wie wir Freiwillige, wodurch man am Wochenende auch gerne mal etwas miteinander unternimmt. Einmal im Jahr gibt es auch eine Lehrerfahrt in den Herbstferien, wo die Lehrer zusammen mit ihren Familien beispielsweise für ein paar Tage an den Strand fahren. Das ist auch eine tolle Möglichkeit, um die Kollegen am Anfang des Freiwilligendienstes besser kennenzulernen.

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Blick ins Lehrerzimmer
  1. Nebenprojekte: viele Möglichkeiten

Da die Freiwilligen-WG zentral liegt mit sehr guter Anbindung, gibt es eine Vielzahl an möglicher 4 + 1 Nebenprojekte. Im Folgenden haben wir euch die Projekte aufgelistet, in denen wir tätig sind, beziehungsweise die wir besucht haben.

2.1 Waima – Behindertenwerkstatt

Waima ist eine kleine Behindertenwerkstatt, die sich in Gardel befindet, ca. 15 Gehminuten von der Freiwilligenwohnung entfernt. Montags bis freitags beginnt dort so gegen 10 Uhr der Arbeitstag für meist 5 – 10 Erwachsene mit verschiedenen geistigen oder körperlichen Behinderungen. Insgesamt besteht das Team aus 30 Personen, jedoch befindet sich die Werkstatt in der Wohnung der Chefs, weshalb täglich nur ein paar kommen. Nach dem morgendlichen Tinto (Kaffee) beginnt die Arbeit und es wird gemeinsam an Schmuck, Wischmops, Schlafanzügen, Schlüsselanhängern und vielem mehr gearbeitet, was dann zusammen auf Märkten und Bazaren verkauft wird. Die Gründer der Organisation haben selbst körperliche Einschränkungen, weshalb sie auf die grandiose Idee gekommen sind, diese Werkstatt zu gründen, um somit Menschen mit Behinderung eine Anstellung und Beschäftigung zu gewährleisten. Hier wird jeder herzlich willkommen geheißen und ist Teil der Waima-Familie. Inklusion wird hier sehr groß geschrieben, was in der Bevölkerung noch nicht so verbreitet ist. Umso erfreulicher ist es, wie wertschätzend, respektvoll und hilfsbereit alle miteinander umgehen. Es wird viel zusammen gelacht und geweint, Witze gemacht und die Menschen haben jemanden zum Reden dort. Nach dem gemeinsamen Mittagessen und ein paar Dehn- und Lockerungsübungen wird noch bis 17 Uhr weitergearbeitet.

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Gib eine Beschriftung ein

Waima ist ein tolles Projekt, das jedoch nur als Nebenprojekt möglich ist. Es ist jedoch ein toller Ausgleich zur Arbeit in der Schule, wo man immer viel Verantwortung hat, einiges vorbereitet werden muss und es oft laut und viel Trubel ist. Der Freiwillige unterstützt die Behinderten bei ihrer Arbeit, motiviert und hilft an den Stellen, wo ihre Kapazitäten nicht ausreichen. Gleichzeitig hat die Chefin immer extra Aufgaben für den Freiwilligen, wie beispielsweise einen Geburtstagskalender oder ein Traummobile zu erstellen, wo der Freiwillige seiner Kreativität freien Lauf lassen kann und es gemeinsam mit den Mitarbeitern herstellen kann. In der restlichen Zeit kann man selbst auch Schmuck herstellen oder auch kleine Talleres zwischendurch anbieten, wie zum Beispiel Deutsch, Englisch, Spielestunde, Massagekreis, Singen, oder was auch immer. Ab und zu gibt es auch Ausflüge oder Yogastunden, zu denen der Freiwillige gerne eingeladen ist. Abschließend ist zu sagen, dass es ein tolles und entspanntes Nebenprojekt für diejenigen ist, die Spaß und Kreativität beim Basteln und gleichzeitig ein Herz für Menschen mit Behinderung haben.

2.2 Poder Joven – Kindertagesstätte (Nils Nebenprojekt)

Diese Organisation gründete sich im Zentrum der Stadt, in dem Viertel „Barrio triste“, was trauriges Viertel heißt. Die Armut dort ist enorm, die Familien leben jeden Tag den Kampf, genügend Geld für Essen und die Miete des Tageshotels für die nächste Nacht einzunehmen. Poder Joven ist eine Kindertagesstätte, das heißt, die Kinder kommen außerhalb der Schule ins Projekt. Kinder, die in der Früh Unterricht haben kommen nachmittags und umgekehrt. Die Kinder bekommen zweimal zu essen, jeweils Mittagessen und dazu Frühstück oder Nachmittagssnack.

Das Projekt im Barrio Triste kommt auch in Frage, da mit dem Metro System alles einfach zu erreichen ist. Es gibt jedoch noch einen zweiten Standpunkt der Organisation in Jardín, welches, zu Fuß erreichbar, über unserem Wohnort liegt. Auch dort sind die Kinder arm, jedoch ist die Problemlage etwas anders. Bis vor 4 oder 5 Jahren gab es noch eine heftige Auseinandersetzung zwischen 2 Banden. Das heißt hier geht es auch darum, die Kinder von der Straße fernzuhalten.

Es gibt einen Stundenplan für die Kinder, welcher Nachhilfeunterricht, Yoga, Religion, Basteln, Malen und vieles mehr beinhaltet. Es wird probiert die Kreativität der Kinder zu fördern, sie bei ihren Hausaufgaben zu unterstützen und die Leistungen in der Schule zu verbessern. Das Klima ist deutlich angenehmer und ruhiger als in der Schule, da auch weniger Kinder kommen, immer so um die 25-35. An meinem +1 Tag sind aber auch 3 Erzieherinnen, die Chefin, eine Köchin, eine weitere Freiwillige aus Medellín und ich da.

Der Stundenplan ist jedoch fest und der Freiwillige kann immer begleiten. An manchen Tagen gibt es Freiraum für eigene kleine Angebote, an manchen nicht.

Die Philosophie des Projektes ist klar und sinnig und muss unterschrieben werden. Dem Freiwilligen muss aber auch klar sein, dass viel Wert auf religiöse Erziehung gelegt wird. Sei man Atheist, darf man dies nicht sagen und auch nie Kritik in Religionsstunden anbringen, teilnehmen ist aber in Ordnung.

Um Freiwilliger in diesem Projekt zu werden, muss man sich bewerben und es ist auf Jahresquartale zeitlich begrenzt. Man kommt sicherlich mit anderen auch internationalen Freiwilligen in Kontakt außerhalb von WI.

2.3 Villa Comunitaria – Kulturhaus

Die Villa Comunitaria ist ein kleines Kulturhaus mit Musikschule nebenan. Ein Team junger, engagierter Studenten sind gerade dabei das Zentrum wieder zu beleben und zu einem Ort für die Kinder des Barrios zu machen, an dem sie an Kursen teilnehmen können, Spaß haben können und jemand da ist, der ihnen zuhört. Die Theaterstudenten legen ihren Fokus auf Clownsworkshops und ähnliches. Zudem gibt es Sozialarbeiter und Psychologen, die ein paar Einheiten mit den Kindern machen. Der Freiwillige kann sich je nach aktuellem Angebot einbringen und entweder als unterstützende Kraft, die anderen Kurse begleiten oder selbst AG’s anbieten. Dabei hat er viele Möglichkeiten über Kunst, Sprachen, Musik (ist ja auch eine kleine Musikschule nebenan, die nicht viel genutzt wird), Filmeabend oder was auch immer. Auch dies ist ein tolles Nebenprojekt, in dem der Freiwillige viel Eigenengagement braucht, dafür jedoch viele Freiheiten hat. Zudem ist es gut mit dem Bus oder in 25 min auch zu Fuß erreichbar.

2.4  Internat „Estudiantes de la Luz“ in Santa Elena

Santa Elena ist ein Corregimiento, somit ein ländlicher Ortsteil ein wenig außerhalb Medellíns. Die Anfahrt ist ein bisschen länger, als zu anderen Nebenprojekten, jedoch ist die Busfahrt schon ein tolles Erlebnis, denn es geht weit hinauf in die Berge, während man ständig einen tollen Blick über ganz Medellín hat. Nach ca. zwei Stunden kommt man an einem großen, schnuckeligen Haus mit riesen Garten an, wo die Chefin, Gründerin und Internatsmama Maria Felisa Mosquera zusammen mit ihrem Mann und ca. 40 Kindern im Alter zwischen zwei und 20 Jahren lebt. Sie holt Kinder aus schwierigen Verhältnissen, deren Mütter als Prostituierte meist auf der Straße leben und ihre Kinder in diesen Umständen sehr schwer großziehen können. Unter der Woche sind die Kinder dann im Internat, bekommen dort Essen und Kleidung und gehen ganz normal in die Schule. Nebenbei bekommen sie Unterstützung bei den Hausaufgaben und an jedem Tag gibt es besondere Freizeitaktivitäten, wie Bastelkurs, Yoga oder andere Vergnügungen. Dieses Projekt ist super als Nebenprojekt geeignet, wo der Freiwillige morgens mit den ganz kleinen Kindern spielen kann, während die Großen noch in der Schule sind. Nachdem das Mittagessen serviert wurde, brauchen die meisten Hilfe bei den Hausaufgaben, wofür es eigentlich viel zu wenige Leute gibt, weshalb der Freiwillige super Hand anlegen kann. Danach kann der Freiwillige je nach Absprache mit der Chefin selbst kleine Aktivitäten oder Kurse nach Belieben anbieten. Auch wenn der Arbeitsweg sehr lang ist, ist es ein super Nebenprojekt, wenn man ab und zu eine Auszeit von dem Großstadtlärm und den Abgasen braucht und ein bisschen frische Landluft und Stille in der Natur genießen möchte. Je nach dem kann es eventuell mit einer Übernachtung verbunden werden und lohnt sich auf jeden Fall, denn die Kinder freuen sich immer wenn man kommt und man wird herzlich aufgenommen.

2.5 weitere Möglichkeiten

Des Weiteren gibt es noch viele andere Nebenprojekte, die ihr vielleicht mit der Zeit entdeckt, denn das Angebot ist groß. Beispielsweise gibt es auch eine UVA (wie ein Kulturhaus) ca. 5 Gehminuten von der Freiwilligen-WG entfernt. Auch in Gardel oder Moravia gibt es Kulturhäuser, die super zu Fuß erreichbar sind und wo man je nach Absprache Kurse anbieten kann. In der Nachbarschaft wohnt auch ein Sportlehrer, der auf einem Sportplatz ca. 5 Gehminuten von der Wohnung entfernt verschiedene Sportaktivitäten für die Kids aus dem Barrio anbietet und gerne Unterstützung gebrauchen kann beziehungsweise man auch selbst Aktivitäten anbieten kann. Die „Aguapaneleros“ gehen Dienstagsabends durch die Stadtmitte und verteilen Brot und Aguapanela (Getränk). Dort ist immer Hilfe willkommen, doch die Arbeit besteht nur aus Verteilen der Lebensmittel.

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Blick aus unserem Wohnzimmer
  1. Wohnort der Freiwilligen

3.1  Lage der Freiwilligen – WG

Die Freiwilligenwohnung befindet sich im östlichen Teil Medellíns in der Kommune namens Manrique. Das Barrio (Viertel), in dem wir wohnen heißt „Las Nieves“ und befindet sich im Estracto 2. Die Verkehrsanbindung von hier aus ist sehr gut und man kommt überall eigentlich gut hin.

3.2  Klima

Medellín ist bekannt für sein angenehmes Klima das ganze Jahr über. Es gibt eine Regenzeit, in der es wirklich häufig und auch heftig regnet und es dadurch auch etwas abkühlt, jedoch mehr als einen Pulli wird man nie brauchen. Es gibt auch Tage an denen es sehr heiß ist. Oft ist es sonnig, oder bedeckter aber sehr angenehm, sodass man immer mit T-Shirt aus dem Haus gehen kann.

Den Klimawandel merkt man hier insofern, dass die angesprochenen „Extrema“ (sehr heiß, viel Regen und Kälte) stärker sind als noch vor einigen Jahren. Früher war es noch beständiger und ausgeglichener das Wetter. Außerdem ist die Luftqualität hier verstärkt durch die Tallage und den vielen Abgasen nicht die beste. Trotzdem lebt es sich gut in der Stadt des ewigen Frühlings.

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Metrocable

3.3 Verkehr und Anbindung

Medellín hat als einige von wenigen Latein – und Südamerikanischen Großstädten ein Metrosystem. Dieses ist sehr einfach und erschließt einmal die nord-süd Achse der Stadt und die west-ost Achse auf Höhe der Stadtmitte mit der Metro. Diese Bahn fährt auf Stelzen über die Stadt. Um den restlichen Teil zu erreichen gibt es noch ein Bussystem mit großen Bussen, die eine eigene Fahrspur haben, namens Metroplus. Es gibt eine Straßenbahn und um die hochgelegenen, schwerer erreichbaren Viertel zu erschließen, gibt es kleinere Busse, die sogenannten „Alimentadores“. Außerdem führt das „Metrocable“, eine Art Seilbahn zu den hochgelegenen Barrios.

Außerdem gibt es eine große Anzahl von privaten Busunternehmen, die festgelegte Strecken fahren und sehr viele Taxen, die auch im Vergleich zu Deutschland sehr günstig sind. Von der Freiwilligen-WG aus sind alle Verkehrsmittel schnell und einfach zu erreichen.

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Die Straße hoch zum Supermarkt, wo wir immer den Bus nehmen

3.4 Kultur, Bildung und Freizeit

Das Kultur-. Bildungs- und Freizeitangebot ist hier sehr gut. Zu Fuß erreichbar sind mehrere Fitnessstudios, Sportplätze und –hallen, Schwimmbecken, Kulturzentren in Manrique und Moravia, sämtliche UVAs (das sind eigentlich auch Kulturhäuser), Musikschulen, Restaurants, und Diskotheken. Wir gehen wöchentlich in eine Bar, wo es kostenlosen Tanzunterricht gibt, also es kann auch etwas für die deutsche Hüfte getan werden. Auch die „Universität de Antioquia“ ist zu Fuß oder mit dem Bus gut erreichbar, an der es ein großes Bildungs-, Kultur- und vor allem Sportangebot gibt. Der botanische Garten ist auch in 30 min zu Fuß erreichbar und ist perfekt, um ein Buch zu lesen, sich zu entspannen, joggen oder spazieren zu gehen oder an Yoga-Stunden teilzunehmen.

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Auf diesem Sportplatz spielen die Jungs jeden Sonntagabend Fußball.

3.5 Essen, Ernährung und Einkaufen

Die „Paisas“ (Bewohner Antioquias) lieben ihr Essen. Reis ist fast immer die Grundlage der Speise und wird oft mit Bohnen und Bauchspeck vom Schwein (Chicharrón) serviert. Es gibt natürlich noch viele andere lokale Köstlichkeiten, jedoch wird es schwierig nahegelegene Restaurants zu finden, die alternatives oder sogar vegetarisches Essen anbieten. Man kann sich jedoch immer eine „Bandeja Paisa“ ohne Fleisch und stattdessen mit Rührei bestellen, was sehr lecker ist :D.

Einkaufen kann man an vielen Orten. In riesigen Discountern in der Stadtmitte oder auf Märkten in großen Hallen. An jeder Straßenecke gibt es „Tiendas“ (Kiosk) die einige  Lebensmittel verkaufen und ab und zu gibt es kleinere Supermärkte. Seit neustem schießen überall Läden, namens „D1“ aus dem Boden. Diese erinnern stark an Aldi und Co, auf Grund des Angebots und Aufbaus.

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Hier die Sicht vom Supermarkt aus, wo wir den Bus nehmen

In Medellín bekommt man eigentlich alles, jedoch nicht immer in der Form, wie man es aus Deutschland kennt. Beispielsweise ist der normale Joghurt hier ist flüssiger und das „Vollkornbrot“ erinnert stark an normales Toastbrot. Die Käsevielfalt ist nicht sehr groß und geschmacklich auch nicht vergleichbar mit Käse, den ihr aus Europa kennt. Dafür hat man die größte Auswahl an Obst weltweit. Es gibt sehr viele Obst- und Gemüsesorten, die ihr sicherlich noch nie probiert haben werdet und lieben werden. Zudem ist es super preiswert und man bekommt wirklich für wenige Euros ganz viel leckeres Obst und Gemüse.

Mobile Verkäufer auf der Straße bieten euch von Gummipool, über Glühbirnen bis hin zu Obst alles an. Viele Imbissstände gibt es auch auf den Straßen.

Kleidung könnt ihr auch im Zentrum oder in Manrique einkaufen. Sie ist günstiger aber oft gefälscht. Oder ihr geht in eines der Einkaufszentren im Süden der Stadt, welche europäischen Standards entsprechen und dementsprechend auch teurer sind.

3.6  Freiwilligenwohnung

Die Freiwilligenwohnung befindet sich in einem 4. Stock nicht direkt an der Straße, sondern ein bisschen versteckt in einer kleinen Gasse. Um zur WG zu gelangen muss man erst mit einem Schlüssel durch eine Gittertür. Nach einer Treppe folgt die Wohnungstür der Vermieter und nach weiteren Stufen steht man vor unserer Wohnungstür und zeitgleich im Wohnzimmer unserer Vermieter. Das ist jedoch kein Problem, denn die beiden sind super lieb und helfen wo auch immer sie können. Man hat jedoch auch seinen Freiraum, denn unsere Wohnung liegt einen Stock höher.

Insgesamt besteht die Wohnung aus zwei kleinen Zimmern, Küche, Bad und einem Ess-/Wohnraum. Die Wohnung ist wirklich nicht sehr groß, dafür sehr schnuckelig und hell durch die zwei großen Fenster im Wohnzimmer, von wo aus man eine geniale Sicht über ganz Medellín hat.

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Ein kleiner Blick in unser Esszimmer 🙂

3.7 Handys und Internet

Handyempfang hat man in der Wohnung eigentlich überall sehr guten, jedoch kann es in der Schule manchmal ein bisschen schwierig sein. In der WG gibt es die Möglichkeit unseren Internetvertrag weiterzuführen. Diesen teilen wir uns mit unseren Vermietern und kostet   50 000 Peso (etwas mehr als 15€) im Monat. Für uns hat es sich herausgestellt, dass es gerade für die Unterrichtsvorbereitung sehr sinnvoll ist, W-Lan im Haus zu haben.

3.8  Sicherheit

Wir haben Manrique als relativ sicher erlebt. Man muss eigentlich keine Angst haben auf der Straße ausgeraubt zu werden und kann sich frei bewegen. Auch spät abends, zum Beispiel am Wochenende, kann man ohne Probleme unterwegs sein. Jedoch sollte man dann als Mädchen in manchen Vierteln vielleicht nicht unbedingt alleine herum laufen. Uns ist hier bis jetzt noch nie etwas passiert, aber man sollte es auch nicht herausfordern.

In Hinsicht auf die Wohnung, ist uns auch bis jetzt noch nichts passiert, jedoch sollte man trotzdem vorsichtig sein, denn unsere Fenster sind nicht vergittert und man könnte über das Dach nebenan leicht einbrechen. Wir wollen damit nicht sagen, dass wir davon ausgehen, dass bei uns eingebrochen wird, aber realistisch gesehen wollen wir deutlich machen, dass es möglich wäre. Die Nachbarn sind super nett und wir verstehen uns gut mit ihnen. Vorsicht ist jedoch immer geboten, wenn es Besuch Wohnung gibt oder man lässt nur Leute rein, denen man wirklich vertraut.

Im Zentrum ist es jedoch um einiges gefährlicher, hier ist es besser vorsichtig zu sein. Dort wurden auch schon einige Freiwillige und Freunde von uns ausgeraubt.

3.9 Gesundheit und medizinische Versorgung

Wenn man krank ist, gibt es ein paar Blöcke weiter unten verschiedene Ärzte. Auch gibt es zahlreiche Apotheken, bei denen man Medikamente bekommt und die einen bei einem kleinen Schnupfen auch gut beraten können. Bei schwerwiegenderen Erkrankungen oder Verletzung sollte man in Betracht ziehen lieber in ein privates Krankenhaus in Medellín zu gehen. Diese sind sehr moderne und gute Krankenhäuser, in denen der Freiwillige sich mit der Versicherung ohne Probleme behandeln lassen kann.

Durchfall kann auf Grund der Nahrungsumstellung und fehlender Hygiene vorkommen, jedoch ist das bei uns selten der Fall. In Medellín ist das Wasser sehr sauber und kann aus der Leitung getrunken werden. In Carpinelo (Schule) sieht man immer wieder Straßenhunde, wobei Tollwut eigentlich äußerst selten vorkommt. Wird man nun aber gebissen, was relativ unwahrscheinlich ist, sollte man unverzüglich ein Krankenhaus besuchen. Sehr hellhäutige Personen sollten Sonnenschutzmittel mitnehmen, da die Sonnenbestrahlung schon deutlich stärker ist als in Deutschland und Sonnencreme sehr teuer hier ist. Sobald die Grippe umgeht, was hier häufig und vor allem in der Regenzeit der Fall ist, sollte man sich regelmäßig die Hände waschen, vor allem, wenn man im Projekt ist. Außerdem ist es hilfreich viel Vitamin C zu sich zu nehmen, um bessere Abwehrkräfte zu haben, denn man hat schnell mal fünf verschnupfte Kinder an sich hängen, die einen abknutschen und anhusten. Am besten isst man immer viel von den leckeren Früchten, dann ist das kein Problem.

3.10 Preise

Fast alle Lebensmittel sind um einiges günstiger als in Deutschland. Wenn man auf sein geliebtes Nutella nicht verzichten will, muss man jedoch tiefer in die Tasche greifen. Auch Shampoo ist teuer, manchmal teurer als bei uns.

Dienstleistungen hingegen sind unfassbar günstig. Braucht ihr mal einen Klempner oder müsst etwas reparieren lassen werdet ihr einen Bruchteil des deutschen Preises zahlen müssen. Auch Transport ist hier sehr günstig.

Generell zahlt man eigentlich nur in bar. Der größte Schein momentan ist noch der 50.000 Pesos Schein (15 Euro), jedoch kann man damit nicht überall zahlen, da er sehr groß ist. Eine Busfahrt für 2.000 Pesos zahlt man zum Beispiel auch möglichst passend, da der Fahrer während der Fahrt gleichzeitig das Wechselgeld rausgeben muss. Die Geldautomaten geben einem jedoch fast immer nur die großen Scheine. Dann kauft man am besten einen Kaugummi im Supermarkt und bekommt so kleines Wechselgeld für den Bus.

Meine typische Woche

Hallo ihr Lieben,

seit meinem letzten Erfahrungsbericht ist viel Zeit vergangen und auch einiges geschehen. Wie schnell die Zeit vergeht, haben wir gemerkt, als wir schon unser Zwischentreffen mit allen WI-Freiwilligen aus Kolumbien und der Dominikanischen Republik hatten. Dazu jedoch später mehr. In diesem Bericht möchte ich euch meine typische Arbeitswoche vorstellen und euch einen kleinen Einblick über meinen Alltag hier in Kolumbien geben. Außerdem haben wir ein etwas außergewöhnliches Projekt veranstaltet, über das ich auch später mehr berichten werde. Mir geht es sehr gut hier und wir leben auch noch, obwohl die Abgaswerte gerade im extrem roten Bereich sind. Deshalb sollte man zurzeit besser keinen Sport draußen treiben und jeden Tag haben andere Fahrzeuge Fahrverbot, namens „Pico Placa“. Das führt dazu, dass die öffentlichen Verkehrsmittel natürlich noch überfüllter sind als sonst. Aber uns betrifft das meistens zum Glück nicht. Es ist erschreckend zu beobachten, wie sich die Abgase in den Bergketten festhängen und aussehen, wie riesengroße Gewitterwolken. Wobei Gewitter beziehungsweise starke Regenfälle gibt es momentan auch so ziemlich täglich, denn wir befinden uns momentan im kolumbianischen Winter. Da kann es dann schon mal vorkommen, dass es dann auch bei uns in der Wohnung ein bisschen rein regnet. Aber auch das sind ganz spannende Erfahrungen, weil ich bisher selten in meinem Leben so starke Regenfälle erlebt habe, dass man sich fragt, ob dort nicht einmal eine Straße war, wo jetzt der Fluss fließt.

Seit ungefähr 6 Wochen haben wir jetzt unseren eigenen Stundenplan und dürfen unsere eigenen Kurse geben. Somit hat sich jetzt auch so allmählich ein Alltag eingespielt und ich werde euch hier meine  typische Arbeitswoche vorstellen:

Montags morgen um 6:15 Uhr klingelt für Gewöhnlich mein Wecker, wobei ich immer noch ein paar Schlummerminuten brauche, bis ich endlich aus den Federn komme. Schnell die Sportklamotten übergeworfen und gefrühstückt, laufe ich zum Haus einer Freundin und wir gehen zusammen zum Fitness-Studio. Eigentlich war ich gar kein Fitnessstudio-Fan, sondern eher die Joggerin (in Deutschland), aber das Laufen ist mir hier mit dem Verkehr viel zu gefährlich und die extremen Berge geben mir eine weitere Ausrede die Laufschuhe nicht anzuziehen. Um uns trotzdem sportlich zu betätigen gehen wir zwei Mädels jetzt jeden Morgen in ein Functional Workout, was uns mit den anderen Teilnehmern großen Spaß bereitet. Um neun Uhr ist die Stunde dann zu Ende und ich muss mich sofort auf den Weg nach Hause machen, um schnell zu duschen, Essen einzupacken und den Bus zur Schule zu nehmen. Meistens komme ich dort dann so gegen 10:30 Uhr an und nutze die verbleibenden zwei Stunden bis Unterrichtbeginn, um mich mit den anderen Lehrern auszutauschen und Unterricht beziehungsweise Materialien vorzubereiten. Um Punkt 12 Uhr wärmen die meisten Lehrer ihr mitgebrachtes Essen auf und wir setzten uns zusammen und essen zu Mittag. Dabei sind wir meistens meine Gastmutter Luzne, meine Gastschwester Joly, meine Gastcousine Yuleni, Nataly, Nils Gastbruder Mateo, der Mathelehrer Alex, wir die zwei Deutschen und ab und zu Rektor Hector. Alle teilen ihr Essen mit den anderen, was richtig toll ist, denn so kann man immer wieder Neues ausprobieren. Nach dem Essen hat einer Abspühldienst für alle und die meisten verschwinden schnell im Bad, um sich die Zähne zu putzen. Eine Sache die mir hier schon öfters aufgefallen ist, dass einige Leute legen sehr viel Wert auf gepflegte Zähne legen und putzen daher mehrmals täglich. Um 12:40 Uhr ist eigentlich Unterrichtsbeginn, jedoch dauert es meistens noch ein wenig, bis alle eingetroffen sind, einen Sitzplatz haben und man beginnen kann. Meine erste Englischstunde montags halte ich im Vorschulkurs von Maritza. Die Kleinen sind super goldig und freuen sich immer riesig, wenn man kommt. Man wird dann meist von einem Haufen von Kindern umarmt und manchmal fast umgeworfen. Maritza beginnt die Stunde und betet mit den Kindern, denn es wird viel Wert auf religiöse Erziehung gelegt. Ich bereite währenddessen den Flachbildfernseher vor, um mit den Kindern dann unseren Hello-Song zu singen. Dies ist ein großer Vorteil, denn die Klassenräume sind alle mit großem Fernseher und Lautsprechern ausgestattet, sodass man Lieder, Videos, Audios, Powerpoint-Präsentationen und Bilder ganz einfach zeigen kann und den Unterricht dadurch abwechslungsreicher gestalten kann. Die Vorschüler können noch nicht schreiben, weshalb ich mit ihnen immer viele englische Kindervideos ansehe und wir dazu singen und die Bewegungen mitmachen. Danach üben wir ein bisschen an der Aussprache der neu gelernten Wörter und im Anschluss dürfen die Kinder kreativ werden oder wir machen Spiele. Nach einer Stunde gehe ich in die Klasse 2C und gebe dort Englischunterricht. Nach einigen Gesprächen mit dem Rektor und der Koordinatorin hat sich herausgestellt, dass sie Nils und mich beziehungsweise die anderen Freiwilligen, die kommen werden, als Englischlehrer für Vorschule, erste und zweite Klasse einsetzen möchten. Für diese Stufen gibt es keine Englischlehrer, jedoch ist es sinnvoll schon früh mit Fremdsprachenunterricht bei Kindern anzufangen. Nils unterrichtet alle Erstklässler, ich die zweiten Klassen und die Vorschüler teilen wir uns. Damit wir wissen, was wir den Kindern beibringen sollen, haben wir uns mit den zwei Englischlehrerinnen zusammengesetzt, die uns vorgegeben haben, was wir den Schülern der jeweiligen Altersstufe in der ersten Schulperiode beibringen sollen. Wir halten uns auch mehr oder weniger daran, jedoch erscheinen uns andere Themen noch wichtiger, weshalb wir im Großen und Ganzen unsere Stunden gestalten wie wir wollen. Der Englischunterricht nimmt auch den meisten Platz in unserem Stundenplan ein, weshalb nicht allzu viel Zeit für andere Kurse bleibt. Zurück zu meinen Zweitklässlern, mit denen ich bis jetzt an Themen wie Selbstvorstellung, Begrüßung, Früchte, Gefühle und Personalpronomen gearbeitet habe. Mein Plan ist eigentlich immer den gleichen Unterricht bei den drei zweiten Klassen zu halten, jedoch ist das nicht ganz so leicht, denn die Klassen sind sehr unterschiedlich. Mein Montagskurs ist eigentlich sehr ruhig und macht meistens begeistert mit. Jedoch können einige Schüler noch nicht gut lesen und schreiben beziehungsweise sind noch sehr langsam darin, währenddessen andere nach wenigen Minuten schon fertig sind. Das fordert Kreativität, aber meistens funktioniert es gut, die anderen noch zu beschäftigen, während die anderen noch die erste Aufgabe beenden. Eine typische Unterrichtsstunde sieht meistens so aus, dass wir nach der Begrüßung kurz wiederholen, was wir in der letzten Stunde gelernt haben und danach kommt ein neues Themengebiet. Oft finde ich ein cooles Video als Einstieg und während wir die Aussprache üben, halte ich den neuen Wortschatz an der Tafel fest. Danach schreiben die Schüler die neuen Vokabeln ab und sollen die Wörter auch ins Heft dazu zeichnen, da es einigen Schülern noch schwer fällt, die Übersetzung zu lesen. Im Anschluss basteln wir etwas passend zum Thema oder spielen Spiele, um das Ganze zu verfestigen. Nach knappen zwei Stunden wird es dann auch schon Zeit für das Refrigerio. Das ist der kleine Snack, den die Schüler jeden Tag bekommen und besteht meistens aus einem Jogurt, einer Frucht und einem Muffin. Danach helfe ich die zweiten Klassen von Maribel und Nataly sicher über die Straße auf den Pausenhof vom Hauptgebäude zu bringen, denn aus Platzgründen sind sie in einem anderen Gebäude untergebracht. Montags endet mein Unterricht schon um halb vier, jedoch bleibe ich meist noch ein wenig länger, um Hefte oder Tests zu korrigieren oder Unterricht vor- beziehungsweise nachzubereiten.

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Dieses Bild ist noch aus der Zeit, wo wir noch keinen Stundenplan hatten und täglich durch die Klassen gezogen sind und mit den Kids Aktivitäten gemacht haben. Hier haben wir Frösche gefaltet. Das ist die zweite Klasse meiner Gastmama, die ihr auch im Hintergrund seht.

Im Anschluss gehe ich oft gleich wieder ins Fitnessstudio zur Clase de Rumba, was eine Art von Aerobik-/Tanzkurs ist mit viel Latinorhythmus. Ich komme dann so gegen halb neun nach Hause und wir setzten uns oft noch mit ein paar Freunden vor die Kirche zusammen, besuchen Nils Gastfamilie oder entspannen in der WG bevor es dann ins Bett geht.

Mein Dienstag schaut eigentlich ziemlich genauso aus, wie der Montag bis zum gemeinsamen Essen mit den Lehrern, nur dass ich danach im Vorschulkurs von Vanessa Englischunterricht gebe. Danach erwartet mich die zweite Klasse von meiner Gastmutter Luzne, von denen ich immer herzlich umarmt und Küsschen bekomme. Zu dieser Klasse würde ich sagen, habe ich eine bisschen andere Beziehung, da ich fast täglich bei ihnen war in der Zeit, als wir noch keinen Stundenplan hatten und auch andere Fächer, wie Mathe, Kunst und Spanisch mit ihnen gemacht habe. Ich muss sagen, dass ich diese Klasse richtig gern habe, obwohl sie eindeutig meine schwierigsten Schüler sind. Hier erwarten mich nämlich nicht nur so 45 Schüler, sondern 55 und das mag nicht nach einem großen Unterschied klingen, jedoch ist es ein gravierender. Zudem ist der Altersunterschied sehr groß und somit der Entwicklungsstand sehr unterschiedlich. Einige Schüler wiederholen diese Jahrgangsstufe schon zum dritten Mal und sind 15 Jahre alt, während andere gerade einmal acht Jahre alt sind. In dieser Klasse sind auch noch viele Schüler, die weder lesen noch schreiben können, was das Ganze erschwert. Aber das Tolle ist, dass sie sich immer riesig auf meine Englischstunde freuen und wenn man nicht die letzte Stunde nach der Pause bei ihnen hat, kann man auch echt gut mit ihnen arbeiten. Aber das wurde jetzt getauscht, sodass ich immer in den zwei Stunden vor der Pause bei ihnen bin.

Um 16 Uhr nachdem der 30 minütige „Descanso“, wie die Pause hier genannt wird, vorbei ist, helfe ich wieder die Kinder sicher ins andere Gebäude zu bringen. Dort gebe ich dann Englischunterricht in der Klasse 2A. Diese Klasse ist wieder ganz anders. Sie sind meistens sehr ruhig, aufmerksam und erledigen die Aufgaben sehr schnell, weshalb ich mit dieser Klasse immer noch ein paar Sachen mehr machen kann. Um 17:40 dürfen die Schüler dann langsam gehen, ein paar Schüler helfen der Lehrerin das Klassenzimmer zu kehren und zu wischen und die Lehrer treffen sich anschließend nochmal im Lehrerzimmer, bevor wir um 18 Uhr dann auch den Bus nach Hause nehmen.

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Hier die Plakate, die die Kinder zu den verschiedenen Gefühlen auf Englisch gestaltet haben.

Der Mittwoch ist bei Nils und mir WI-, Putz-, Einkaufs- und Unterrichtvorbereitungstag zugleich. Nach einer Yoga-Stunde im Botanischen Garten zusammen mit Julian, einem Mitfreiwilligen und Estefania, einer kolumbianischen Freundin fallen eben Haushaltstätigkeiten wie Wäschewaschen und der Wohnungsputz an. Jedoch geht das Ganze nur zu Bruno Mars Musik, was das ganze wieder spaßig macht. Auch schreiben wir an diesem Tag Berichte für unsere Organisation oder erledigen andere Aufgaben und bereiten unseren Unterricht vor. Wenn abends noch Zeit bleibt, gehe ich wieder in die Clase de Rumba oder wir unternehmen etwas anderes Schönes.

Auch der Donnerstag ist kein normaler Schultag, denn an diesem Tag habe ich meinen + 1 Projekttag. Was bedeutet das? An einem Tag in der Woche arbeite ich in einem anderen sozialen Projekt, um auch noch andere Einblicke zu gewinnen. Die Organisation zu der ich jeden Donnerstag gehe, heißt Waima und ist eine kleine Behindertenwerkstatt. Dort kommen täglich Menschen mit verschiedensten körperlichen und geistigen Einschränkungen vorbei und stellen gemeinsam Schmuck, Pyjamas, Wischmobs und vieles mehr her, die sie dann auf den vielen Märkten und Bazaren in Medellín und Umgebung verkaufen. Um 10 Uhr kommt eine Yogalehrerin und alle beginnen den Tag mit einer kleinen Yogastunde, an der ich auch immer teilnehme. Die Werkstatt befindet sich im Wohnzimmer der Chefs in Gardel, einem Viertel in der Nähe von unserer Wohnung. Der Chef Guillherm hat selbst eine Gehbehinderung und hat deshalb keinen Beruf mehr gefunden und auch seine Frau Claudia war zu der Zeit arbeitslos, weshalb sie die geniale Idee hatten, diese Organisation zu gründen, um Menschen mit Behinderung die Möglichkeit zu geben, eine Anstellung und eine sinnvolle Beschäftigung zu haben. Gleichzeitig kooperieren sie auch mit vielen anderen gemeinnützigen Organisationen. Ich freue mich jedes Mal sehr auf die Gruppe, die donnerstags da ist. Das ist zum einen Rodrigo, dessen Finger unter anderem zusammengewachsen sind. Er erledigt jedoch immer sehr gewissenhaft kleine Einkäufe und Aufgaben und trotz seiner Einschränkung fädelt er Perlenketten schneller wie der Blitz auf. Willhiam, ein blinder Mann, ist der Witzbold in der Gruppe, nutzt seine Sehschwäche immer um noch einen Witz drauf zu setzten. Paola hat Schwierigkeiten beim Sprechen, aber koordiniert die Arbeiten ein bisschen und zeigt ihren Kollegen die neuen Arbeitsschritte. Juan Estevan ist auch ein sehr bemühter junger Kerl, der ein paar autistische Züge hat, jedoch die meisten Aufgaben exzellent erledigt. Ich bin jedes Mal begeistert von der Lebensfreude, die in jedem dieser Menschen steckt und vor allem die Talente, die sie trotz ihrer Behinderung haben, was man vorher gar nicht denken würde. Eine Geschichte hat mich jedoch ein bisschen traurig gemacht. Andres hatte vor sechs Jahren einen sehr schweren Motorradunfall und hat seitdem bleibende Gehirnschäden. Er kann sich kaum etwas merken und auch körperlich hat er einige Einschränkungen. Im Gegensatz zu den anderen ist er nicht mit seiner Behinderung aufgewachsen und am meisten trifft ihn, dass sich seine Freundin nach dem Unfall von ihm getrennt hat und es ihm verbietet seinen kleinen Sohn zu sehen. Zudem wohnt die Oma in dem Projekt, die nichts hören kann, aber super gut Lippen lesen kann, wodurch man sich super mit ihr unterhalten kann. Sie ist auch diejenige, die immer für alle super leckeres Mittagessen kocht und für Getränke sorgt. Es würde zu lange dauern, wenn ich jetzt alle Mitarbeiter aufzählen, aber es sind immer zwischen 5 und 8 Leute da, neben den Chefs Claudia und Guilherme und ihrer Tochter Lorena. Claudia hat blaue Haare und ist eine herzensliebe Person, die ihr Team immer toll motiviert und ihnen zeigt wie toll sie sind und wie lieb sie sie hat. Lorena ist in der 11. Klasse und möchte am liebsten ganz viel Reisen nach ihrem Abschluss. Mit ihr werde ich auch bald eine andere Organisation  in Santa Elena besuchen. Da soll ein Internat für Kinder aus schwierigen Familien sein, die dort montags bis donnerstags wohnen. Der Plan ist, dass wir vielleicht einmal im Monat dort hinfahren und mithelfen oder kleine Aktivitäten mit den Kindern machen. Zwei wichtige Mitglieder fehlen jedoch noch: Frieda und Gaspar. Der Mops und der Golden Retriever, die viel Leben ins Haus bringen und auf die ich mich immer riesig freue. Meine Arbeit dort besteht daraus, dass ich immer wieder kleine Hilfen gebe oder motiviere, damit die anderen weiterarbeiten können. Außerdem gibt mir Claudia immer Aufgaben, die ich dann mit den anderen zusammen mache. Beispielsweise haben wir einen Geburtstagskalender erstellt und arbeiten gerade an einem Stundenplan und Traummobile. Ich mache mir dazu einen Plan, wie es ungefähr aussehen soll und welche Materialen wir dazu brauchen. Jedoch entscheiden wir dann alle zusammen welche Farben wir verwenden und bauen ihre Ideen mit ein, bevor wir zusammen die fehlenden Materialien einkaufen gehen. Nach dem Mittagessen machen wir eine kleine Dehnstunde bevor es zurück an die Arbeit geht. Dabei wird jedoch immer sehr viel gelacht, geredet und Quatsch gemacht. Sie wollen auch immer wieder Wörter auf Deutsch und Englisch wissen und sind sehr interessiert an der deutschen Kultur. Gegen 17 Uhr ist der Arbeitstag zu Ende und ich begleite die meisten bis zur Metro und laufe dann nach Hause.

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Das ist die tolle Waima-Familie (v.l.n.r.): Freundin von Lorena, Juan Estevan, Xiomara, ich (damals noch nicht mit Waima-Shirt), Lorena, Estiven, Wilhiam (Geburtstagskind), Paola, Claudia und Carlos 🙂

Am Freitag beginnt mein Unterricht erst um zwei Uhr, jedoch bin ich auch wie immer schon ab 11 Uhr dort, um Materialien vorzubereiten. Nach dem Mittagessen setzte ich mich dann ab und zu mit ein paar Elfklässlerinnen zusammen, denen ich Englisch Nachhilfe gebe. Im Anschluss um 14 Uhr beginnt die Englisch-AG. Dazu können Schüler zwischen der 6. Und 11. Klasse freiwillig kommen und es geht vor allem darum, dass sie ihre Aussprache verbessern und keine Angst haben, Englisch zu sprechen. Eigentlich mache ich diesen Kurs zusammen mit der Englischlehrerin Lewis und sie gibt vor, was wir machen sollen, jedoch hatte sie bis jetzt noch keine Zeit zu kommen. Deshalb gestalte ich die Stunden und lege mehr Wert auf alltägliches Vokabular und spaßigen Unterrichtsmethoden, um den jungen Leuten Freude an Fremdsprachen zu vermitteln. Bis jetzt muss ich sagen war es auch immer sehr lustig und wir haben viele Energizer (Wachmacherspiele) und Spiele auf Englisch gespielt. Die Schüler sind sogar so begeistert, dass sie in der Woche als ich am Zwischentreffen war, auch ohne mich sich getroffen haben und die Spiele vom letzten Mal gespielt haben. Die Aussprache wird bei den meisten auch schon ein bisschen besser, aber ich verstehe oftmals immer noch kaum was sie sagen wollen. Ich kann nicht sagen, ob es daran liegen könnte, dass sich Latinos mit der englischen Aussprache generell schwerer tun oder dass es ein Teufelskreis ist, dass die Lehrer schon kein gutes Englisch sprechen und dann ist es selbstverständlich, dass auch die Schüler kein perfektes Englisch sprechen werden. Dazu sollte ich anmerken, dass auch mein Englisch keines Wegs perfekt ist, aber ich würde behaupten, dass meine Schüler die eine oder andere Sache schon von mir lernen können und traue mir auf jeden Fall auch zu Grundschüler zu unterrichten.

Um 15 Uhr geht dann gleich die Theater-AG weiter. Eigentlich war es nur für 9. bis 11. Klässler gedacht, aber viele jüngere Schüler bleiben gleich nach dem Englischkurs da, was natürlich kein Problem ist. Unser Ziel ist es irgendwann ein kleines Theaterstück der Schule vorzuführen, aber bis jetzt habe ich erst viele Spiele mit ihnen gespielt, damit sich die Gruppe untereinander kennenlernt und zusammenwächst. Nach weiteren kleinen Theaterübungen und Spielen haben sie sich in Kleingruppen zusammengesetzt und sich kleine Szenen zu selbstgewählten Themen überlegt und diese der Gruppe vorgestellt. Eine Szene zum Beispiel hat von einem Jungen gehandelt, der in der Schule, wie auch zu Hause nur schlechtes Verhalten an den Tag gebracht hat, bis eines Tages seine Mutter gestorben ist. Da ich ihnen keine Vorgaben gegeben habe, fand ich es umso interessanter, welche Themen sie bewegen beziehungsweise sie vielleicht selbst in irgendeiner Weise erfahren oder mitbekommen haben. Viele von euch fragen sich sicherlich, warum ich einen Theaterkurs anbiete, obwohl ich selbst nie richtig Theater gespielt habe. Das ist richtig, dass ich abgesehen von ein paar Krippenspielen in der Kirche nie viel Theater gespielt habe. Jedoch haben wir auf dem Vorbereitungsseminar von WI einige gute Theaterworkshops gehabt, die mich dazu inspiriert haben, eine AG in der Schule zu gründen. Außerdem habe ich im Dezember bei Casa Autor festgestellt, dass wir viele Schüler an der Schule mit großem schauspielerischem Talent haben. Casa Autor war ein Aktionstag an dem jede Klasse eine kleine Schülergruppe gestellt hat, die im eigenen Klassenzimmer ein kleines Theaterstück über eine gelesene Lektüre gezeigt haben. Die restlichen Schüler sind den ganzen Tag durch die Zimmer rotiert und haben sich die Stücke angesehen. Mein Ziel ist es in diesem Kurs auch nicht eine klare Linie vorzugeben, sondern ich möchte den jungen Menschen Platz lassen und Anstöße geben, sich selbst kreativ zu entfalten und ihre Ideen mit einzubringen und ihnen das Gefühl geben, ein wichtiges Teil von etwas Großem zu sein. Mich freut es dann umso mehr, wenn die Gruppe nach eineinhalb Stunden immer noch nicht nach Hause gehen will und ich sie wie letztes Mal nach weiteren eineinhalb Stunden Spiele spielen doch nach Hause schicken musste, weil die Putzfrauen die Schule schließen wollte. In meinem letzten Bericht habe ich beschrieben, dass es sehr schwierig werden wird, dass wir eigene Kurse anbieten können, auf Grund der fehlenden freien Klassenräume und der hohen Miete für den Raum vom Pfarrer im Gemeindehaus nebenan. Das Raumproblem hat sich jetzt jedoch zum Glück gelöst. Denn der Pfarrer hat mitbekommen, dass es deutsche Freiwillige gibt, die AG’s und Fremdsprachenunterricht anbieten und war total begeistert davon. Danach sind Nils und ich zusammen zu ihm gegangen und haben ihn nochmal gefragt und bevor wir überhaupt ausgeredet hatten, hat er uns die Erlaubnis gegeben, wann immer wir wollen einen seiner Räume kostenlos zu nutzen.

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Die Theatergruppe beim Lösen des Gordischen-Knotens.

Um 20 Uhr am Abend gehen Nils und ich immer zusammen mit vielen Freunden in eine Bar, wo es jeden Freitag kostenlose Porro-/Cumbia-/Salsa- und Foxstunden gibt. Das macht immer richtig Spaß und wir werden auch echt schon ein bisschen besser und können schon einige Drehungen.

Samstags machen wir alle 14 Tage einen kleinen Aktions-Tag an der Schule mit Nils Gastbruder dem Psychologen Juan. Er nutzt die Zeit um die Schüler über Themen wie zum Beispiel Alkohol, Drogen oder Sexualität aufzuklären, während wir mit einer anderen Altersgruppe Fußballturniere veranstalten, Basteln, Tanzen oder andere Aktivitäten machen. Der nächste Samstag steht unter dem Thema Sexualität, Tanzen und Garten aus Paletten bauen, die vorher angemalt werden. Es kommt nicht jedes Mal die komplette Schule, sondern immer nur gewissen Jahrgangsstufen und das ganze natürlich freiwillig. Die Aktionen beginnen je nach dem um 8 Uhr und ab 12 Uhr gehen auch wir in unser Wochenende.

Am Wochenende machen wir immer ganz verschiedene Sachen: Fußballspiel, Yoga, Tanzen beziehungsweise Feiern gehen, Freunde treffen oder einfachmal nur entspannen.

Sonntagabend ist dann wieder ein fester Termin, wenn Nils mit seinen ganzen Gastbrüdern und Freunden Fußball spielt und ich treffe mich währenddessen mit den Mädels und wir sehen zu oder unternehmen etwas anderes.

Ich hoffe ihr habt jetzt einen kleinen Einblick in meinen wöchentlichen Alltag bekommen. Natürlich ist es nicht immer genauso, aber normalerweise schon.

Ich möchte euch gerne noch von einer anderen Aktion erzählen, die wir vor ca. 4 Wochen gemacht haben. Estefania, eine Freundin von mir hat einen kreativen Tag in einer sehr armen und kleinen Schule in Salgar, einem Dorf ca. 4 Stunden außerhalb von Medellín organisiert. Das konnte sie jedoch nicht alleine machen, deshalb hat sie zehn von uns deutschen Freiwillige und noch ein paar kolumbianische Freunde mitgenommen. Ich habe ihr ein bisschen mit den Vorbereitungen geholfen und habe mich vor allem um das Essen gekümmert. Denn ich habe über viele Ecken (unter anderem über unsere spanischen Freunde, die vor kurzen bei uns waren) einen Sternekoch kennengelernt, der im Reichenviertel Poblado ein eigenes Restaurant hat. Er hat mir angeboten, dass er mir hilft, wenn ich bei irgendetwas Hilfe brauche und dieses Angebot habe ich dann gleich angenommen. Somit sind wir zwei Mädels zusammen mit ihm auf die Mayorista gefahren, einem riesengroßen Markt, wo auch er immer die Lebensmittel für sein Restaurant einkauft. Es war echt genial, dass er dabei war, weil er konnte die Mengen besser kalkulieren, hatte gute Kontakte, wo wir einiges billiger bekommen haben, hat uns einiges bezahlt  und wir wurden durch seine Begleitung nicht ständig von den ganzen Verkäufern blöd angemacht. Außerdem hat er uns vorher zum Frühstück und danach zum leckeren Mittagessen in seinem Restaurant eingeladen und noch alle Brote für die Hot-Dogs gebacken und der Schule gespendet. Wir sind dann mit allen an einem Freitagnachmittag losgefahren und am Abend kamen schon die Kinder, mit denen wir ein paar Spiele gespielt haben, einen Film geschaut haben und es gab eine Clownsshow mit einem argentinischen Freund von Estefania. Danach sind die Kids nach Hause gegangen und wir haben noch einiges für den eigentlichen Tag vorbereitet und danach wurde noch ein Lagerfeuer gemacht. Nach einer super bequemen Nacht in mitten von ein paar Kakerlaken auf dem Boden in einem der zwei Container, welche die Klassenzimmer darstellen, kamen dann auch schon alle Kinder am Morgen wieder und das Programm konnte losgehen. Dazu hat jeder von uns Freiwilligen eine Aktion angeboten, wo die Kinder dann mitmachen konnten, wie sie wollten. Die Kinder konnten beim Gartenanlegen helfen, die Schulwand mitbemalen, Jonglieren oder andere Zirkuselemente erlernen, Spiele spielen oder in meinem Bastelkurs verschiedene Tiere falten, Mandalas malen, Ketten herstellen oder Clownsnasen für den Zirkus basteln. Währenddessen haben ein paar Mütter „Sancocho“ gekocht, was es dann zu Mittag gab. Dieser typische Eintopf enthält Kochbananen, „Yuca“ (Maniok Wurzel), Kartoffeln, Mais und ganz viel Fleisch und wird für gewöhnlich draußen in einem großen Topf über offenem Feuer gekocht. Nach dem Mittagessen wurde dann noch ein bisschen weitergespielt, bevor die Kinder alle kleine Päckchen bekommen haben, die wir in Medellín für die Kinder gespendet bekommen haben. Wir Freiwillige haben dann noch eine kleine Hot-Dog Fabrik aufgemacht und jedem Kind noch einen Hot-Dog zusammengestellt. Nachdem die Kinder alle wieder nach Hause gegangen sind, haben auch wir unsere Sachen gepackt und wurden gegen 16 Uhr von unserem Kleinbus wieder abgeholt. Zuhause angekommen sind wir auch echt müde ins Bett gefallen, denn der ganze Tag war sehr anstrengend mit den Kids. Vor allem, weil es dort um einiges heißer ist als in Medellín. Es war auch eine total andere Erfahrung, denn dort leben kaum Menschen und die, die dort am Straßenrand eine kleine Hütte haben, leben dort in eher ärmlichen Verhältnissen. Die meisten von ihnen werden täglich von einem Kleinbus abgeholt und arbeiten dann den kompletten Tag auf einer Kaffeeplantage, bis sie abends wieder zurückgebracht werden. Es gibt auch keine Einkaufsmöglichkeiten dort, weshalb das Dorf jeden Sonntag in die nächste Stadt zum Wochenmarkt läuft um einzukaufen. Die Kinder gehen eben auf die Schule „Chuchita“, welche auf einem sehr steilen Berg liegt und kaum ausgestattet ist, beziehungsweise vor kurzem auch noch ausgeraubt wurde. Aus diesem Grund haben sich alle riesig gefreut, dass wir diesen tollen Tag mit ihnen verbracht haben und ihnen sogar noch einen kleinen gespendeten Spielplatz aufgebaut haben.

Wie anfänglich erwähnt, hatten wir unser einwöchiges Zwischentreffen von WI schon. Dazu kam unser Chef Pablo nach Kolumbien geflogen und wir haben uns dann alle in einer Öko-Finka in der Nähe von Armenia im Kaffeedreieck getroffen. Nils und ich haben das Wochenende vorher noch bei unseren Mitfreiwilligen in Manizales verbracht, denn dieser Zwischenstopp lag auf dem Weg. Wir haben dann eine Woche in der wunderschönen Idylle verbracht und viel über unseren Freiwilligendienst reflektiert. An einem Tag kamen auch zwei Psychologen aus Manizales und haben einen Gestalttherapeutischen-Tag mit uns gemacht. Die letzte Nacht haben wir in einem Hostel in Armenia verbracht und sind alle zusammen nochmal essen und anschießend tanzen gegangen. Sonntag ging es dann zurück nach Medellín, weil am Montag wieder die Arbeit weiter ging und ich muss sagen, wir wurden echt vermisst an der Schule.

Ich hoffe euch geht es allen gut und bis bald mal wieder! Wenn ihr noch Fragen oder Anmerkungen habt, dann freue ich mich immer gerne über eine E-Mail. Schreibt mir dazu einfach auf alexandra-neubert@hotmail.de.

Ganz liebe Grüße aus dem wunderschönen und zurzeit sehr verregneten Medellín,

Alexandra

Silvester, Urlaub und wieder in der Schule

Hallo ihr Lieben,

jetzt ist es schon wieder eine Weile her, seitdem ich mich das letzte Mal gemeldet habe, aber eines kann ich gleich sagen: Mir geht es sehr gut.

Seit drei Wochen bin ich jetzt von meiner Reise wieder zurück in Medellín und arbeite wieder im Projekt. Aber darüber berichte ich später mehr.

Kurz vor Silvester bin ich 12 Stunden lang im Bus nach Ocana gereist und konnte es gar nicht fassen meinen Gastbruder Aiman, der 2015 zehn Monate lang bei meiner Familie in Deutschland gelebt hat, wiederzusehen. Er hat mich zusammen mit zwei seiner Cousins Juan und Alejo abgeholt und wir sind sofort nach Hause gefahren. Schon auf der Fahrt habe ich festgestellt, dass die folgenden Tage und Wochen ein großer Kontrast zu dem Leben sein werden, wie ich es in Medellín führe. Angefangen damit, dass wir nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren sind, sondern Aiman im großen Geländewagen seines Vaters kam. Zu Hause habe ich Ilse kennengelernt, die treue Seele des Hauses beziehungsweise Haushälterin, die schon über 15 Jahren bei ihnen arbeitet. Auch von Aimans Eltern Patricia und Alberto und seinem Bruder Anwar wurde ich sehr herzlich begrüßt und es fühlte sich an als würden wir uns schon ewig kennen. Die drei haben uns im Sommer 2015 zwei Tage lang in Hilpoltstein besucht, jedoch konnten wir uns damals kaum unterhalten, weil sie kein Englisch und ich kaum Spanisch gesprochen habe. Das war jetzt natürlich kein Problem mehr, denn ich würde behaupten, dass ich jetzt einigermaßen fließend Spanisch spreche. Mein Paisa-Dialekt (so sprechen die Menschen aus Medellín/ Antioquia) ist ihnen auch sofort aufgefallen.

Am Nachmittag habe ich gleich eine kleine Stadtführung bekommen und am Abend hat sich die ganze Familie bei einer Tante zum Abendessen getroffen. Wie auch bei Aiman zu Hause, war ich auch bei der Tante sehr verblüfft von der Größe und Einrichtung des Heims. Jeweils mussten wir zuerst durch ein Tor fahren, dass täglich 24 Stunden lang von Türstehern bewacht wird. Der Kontrast zu den Häusern in Medellín, wo ich mich meistens aufhalte war einfach sehr groß. Auch das Konsumverhalten und die Einstellung gegenüber anderen Schichten hat mich an manchen Punkten ins Nachdenken gebracht hat. Das bedeutet auf keinen Fall, dass es in Medellín nicht auch reiche Menschen gibt, die prachtvolle Gebäude besitzen. Medellín ist eine Stadt voller Kontraste, jedoch habe ich mich bis jetzt kaum in den super reichen Vierteln aufgehalten, geschweige denn dort gewohnt. In Medellín lebe ich in den ärmeren Barrios. In Kolumbien werden die Gebiete in „Distritos“ von eins bis sechs unterteilt. Dabei gilt, je größer die Zahl, desto höher ist der Lebensstandard. Die Schule und auch meine Gastfamilie zählen zum Distrito 1. Unser Apartment ist im Distrito 2 und reichere Viertel, wie zum Beispiel Poblado gehören zum Distrito 6. Allein an den Zahlen kann man schon einen großen Unterschied erkennen und der Lebensstandard in unserem Barrio ist auch niedriger als beispielsweise in Poblado oder dem Viertel, wo Aiman’s Familie wohnt. Jedoch ist das Leben hier für mich normal und keinesfalls beeinträchtigend. Was mich in diesem Punkt jedoch zum Nachdenken gebracht hat, waren die vielen verblüfften, teils sehr erschrockenen Gesichter der Tanten und Onkel, als ich erzählt habe, dass ich in dem Barrio Manrique  lebe und nicht in einem reichen Viertel wie Poblado. Über meine Arbeit im Projekt waren sie begeistert, die meisten konnten sich nur nicht vorstellen, dass ein „reiches Mädchen aus dem Westen“ in so einem „armen, gefährlichen, violenten und drogenbehaftetem Viertel“ wohnen kann. Das hat mir gezeigt, dass man mit Aufklärungsarbeit in der eigenen Bevölkerung anfangen muss. Dafür hatte ich auch viel Zeit, denn ich habe die nächsten 20 Tage mit ihnen verbracht und ich war erstaunt über die vielen Rückfragen und interessante Gespräche.

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Nach dem leckeren Dinner und vielen Golpe-Runden mit den Cousinen und Cousins von Aiman sind wir dann noch auf ein Vallenato-Festival gegangen. Kurz zur Erklärung: Golpe ist ein Kartenspiel wie Uno, nur dass man noch viel mehr Spezialkarten hat, was das Spiel sehr lustig macht. Auf dem Festival durfte ich einige seiner Freunde, die typische Musik von Ocana und wie man dazu tanzt kennen lernen. Dort tanzt man sehr körpernah und „umschlingt“ sich mehr oder weniger. Am nächsten Tag haben sie mir das familieneigene Einkaufszentrum gezeigt, wo Aimans Mama zusammen mit einer Tante ein Restaurant betreiben und andere Tanten Kleidungsgeschäfte und Restaurants besitzen. Jeden Tag habe ich mehr Familienmitglieder kennengelernt und wurde so herzlich aufgenommen, als wäre ich schon ein Teil der Familie. Am Abend vor Silvester ist die ganze Familie in den Club Ocana auf einen Tanz-Ball gegangen. Das war mein erster richtiger Ball in meinem Leben. Am Nachmittag kam noch spontan der Cousin Camillo aus Bogotá fürs Silvesterwochenende nach Hause und somit hatte ich gleich eine Ballbegleitung. Alle waren sehr schick angezogen, zwei große Orchester haben die ganze Nacht lang gespielt und Jung bis Alt hat zusammen getanzt. Ich bin immer noch begeistert, wie gut Aimans Eltern und alle anderen tanzen können.

Am Silvesterabend haben wir uns nach dem Abendessen zu Hause alle hübsch gemacht und sind dann zu einer Schwester von Patricia gegangen. Dort hat sich die ganze Familie versammelt und bis Mitternacht wurde getanzt, Whisky (für die Männer) und Aguardiente (für die Frauen) getrunken und die Leckereinen des Buffets verköstigt. Dann haben sich alle in der Garage in einen großen Kreis gestellt und die letzten Sekunden des alten Jahres heruntergezählt. Danach haben sich alle herzlich umarmt und sich ein frohes neues Jahr gewünscht. Feuerwerke hat man auch gehört, allerdings sollten wir uns eher im Haus aufhalten, denn draußen wäre es auf Grund der Feuerwerke zu gefährlich gewesen. Die Feier ging dann bis in die Morgenstunden weiter und es war eine ausgelassene Stimmung.

Am Neujahrstag haben sich dann alle wieder bei einer anderen Tante zum Grillen versammelt. Ein Punkt, der mir an diesem Tag sehr aufgefallen ist, ist die Rollen- und Arbeitsverteilung. Die Männer stehen am Grill oder sitzen auf dem Sofa und lassen sich von vorne bis hinten bedienen. Währenddessen stehen die Frauen in der Küche oder machen Ordnung. Als erstes wurde den Männern serviert, danach sofort den Kindern und zu allerletzt haben die Frauen am Küchentisch den leckeren Grillteller gegessen. Die Kinder waren danach im Pool baden oder haben Golpe gespielt, die Männer haben sich unterhalten oder Domino gespielt und die Frauen haben den neusten Klatsch und Tratsch ausgetauscht. Am Abend wurden das restliche Fleisch, Arepa und Kartoffeln auf ein großes Tablett in die Mitte des Tisches gestellt und jeder hat sich mit der Hand bedient.

An einem der folgenden Tage haben wir mit einigen Cousins und Cousinen einen kleinen Ausflug in das wunderschöne Dorf „la Playa“ gemacht. Dazu sind wir circa eine Stunde durch die wunderschöne bergige Landschaft gefahren und kamen dann in dem 100-Einwohner Dorf an, das übersetzt „der Strand“ heißt. Ich konnte leider nicht herausfinden, warum es diesen Namen trägt, aber der Ausflug war es wert, denn die Besonderheit dort sind die weiß angestrichenen Häuser mit Holzschildern an der Tür.

Nach einem leckeren Mittagessen in einem Restaurant wurden wir noch von einem alten Bekannten von Alberto auf ein Dessert in dessen Haus eingeladen. Alberto hat während seines Medizinstudiums in diesem Dorf sein Praxisjahr gemacht und pflegt deshalb noch alte Kontakte.

Am 4. Januar war es dann endlich soweit: Karneval! Schon an den Tagen zuvor wurde mir viel über das Fest erzählt, aber es war nochmal ganz anders es selbst zu erleben. Es ist Tradition, dass sich alle Menschen gegenseitig mit Schaum, Farbpulver, Tinte, Wasser und Maismehl bespritzen. Dafür sollte man auch unbedingt immer eine Sicherheitsbrille oder Sonnenbrille tragen, denn der Schaum brennt ganz schön in den Augen. An diesen Tagen empfiehlt es sich auch sehr die Fenster bei der Autofahrt zu zulassen, denn sonst bekommt man schnell mal ein bisschen unerwartet Schaum ins Auto. Die meisten tragen zudem einen Poncho, der auch sehr empfehlenswert ist, denn daran kann man sich dann immer wieder schnell abputzen. Am letzten Tag waren dann auch so ziemlich alle Kondome in den Drogerien ausverkauft, denn jeder wollte sein Handy vor der Nässe schützen und packte es dafür in ein Kondom. Die Hauptfeierzone befindet sich im Zentrum, wo man an jedem Eck laute Musik hört, Essen auf den Straßen kaufen kann und die Menschen viel Alkohol trinken. Am Anfang war ich sehr begeistert von dem ganzen Fest und hatte großen Spaß dabei auch andere Menschen mit meiner Schaumpistole und Farbpulver voll zu sprühen. Am Ende des Tages wurde es jedoch sehr anstrengend, denn man konnte sich keine 5 Meter fortbewegen, ohne etwas in Mund, Ohren oder Augen zu bekommen, was mit der Zeit sehr unangenehm wurde. Zu Hause stand uns dann ein sehr langes Bad bevor, denn die Farben waren meist sehr hartnäckig und auch danach war man noch am ganzen Körper voller Farbe. Karneval wird wirklich sehr anders gefeiert, als ich es aus Deutschland kenne, was alleine schon am Wetter liegt. Tagsüber hatten wir immer so an die 25 Grad Celsius und nur abends hat es ein bisschen abgekühlt.

Nach den drei Karnevaltagen sind wir alle zusammen nach Santa Marta an die Karibikküste gefahren. Dort besitzt Aiman’s Familie ein Apartment in einer Ferienanlage. Einige Tanten und Onkel sind auch mitgefahren, denen ebenfalls eine Wohnung dort gehört. Die Anlage ist wirklich sehr schön. Am meisten hat mir der Strand gefallen, denn der Schatten war 100%ig natürlich aus Bäumen und Palmen und war auch nicht von Touristen überfüllt, weil nur die Leute der Anlage Zugang haben. Bekocht wurden wir auch vorzüglich von der Haushälterin, die sie immer einstellen, während sie in Santa Marta sind. Die Tage dort waren sehr entspannt, denn wir waren die meiste Zeit am Stand oder am Pool und haben uns abends bei der Tante Maurin im Apartment getroffen. An einem Abend haben sie für mich einen kleinen Ausflug nach Santa Marta ins Stadtzentrum gemacht, worüber ich mich riesig gefreut habe. Sonst sind wir noch ein paar Mal in Shopping Center gefahren oder haben ganz viel Rummikub (Brettspiel) gespielt.

Am Ende der Woche wollte ich dann doch noch ein paar mehr Orte besuchen, die mir von vielen empfohlen wurden. Eines dieser Ziele war der Nationalpark Tayrona. Dazu habe ich eine Tour gebucht und wurde dann direkt am Hotel abgeholt. Der Guide war richtig cool und hat uns total viel erklärt. Schon im Bus habe ich Astrid kennengelernt, die aus Bogotá kommt und auch alleine da war und dann sind wir den Tag die meiste Zeit zusammen gewandert. Als wir ankamen mussten wir am Eingang warten, bis alles geklärt war und dann konnte die Wanderung losgehen. Die Natur war beeindruckend und ich habe die Wanderung durch die Wälder und an den vier bekannten Stränden vorbei sehr genossen. Allerdings war Hauptsaison und der Park war sehr voll, was das Feeling einer entspannten Wanderung durch den Nationalpark genommen hat. Das Wetter war leider auch nicht so optimal, denn es hat den ganzen Tag geregnet und die Wellen waren so hoch, dass es verboten war zu baden. Der letzte Strand hat das schlechte Wetter und alles andere wieder gut gemacht, weil dieser Ort einfach bezaubernd gewesen ist. Auf dem kleinen Aussichtsturm in der Mitte der beiden Buchten konnte man super die tolle Aussicht genießen oder einfach in einer Hängematte entspannen. Nach dem Mittagessen mussten wir dann auch gleich wieder den Rückweg antreten, damit wir pünktlich am Bus waren. Ich war super ausgestattet und mir hat die Wanderung sehr viel Spaß gemacht, aber anderen Leuten aus unserer Gruppe wurde nicht gesagt, dass es eine Tageswanderung ist, wo man in guter Form sein sollte und gute Schuhe anhaben sollte. Dementsprechend waren einige ältere Menschen und Kinder in gerade einmal Badesachen und Badeschlappen dabei, für die die Wanderung mehr Qual als ein schöner Ausflug war. Einem älteren Ehepaar habe ich am Schluss geholfen den 2 Jahre alten Enkel zu tragen. Nach einer Stunde war ich auch völlig fertig, weil man immer wieder über Steine klettern musste und ich große Angst hatte mit dem Kleinen am Arm auszurutschen. Aber zum Glück ist alles gut gegangen.

Am letzten Wochenende meines Urlaubes bin ich noch für eine Nacht von Santa Marta nach Cartagena gefahren. Aiman’s Eltern hatten große Angst um mich, deshalb haben sie mir einen guten Bus und ein tolles Hostel gebucht und der Abschied war fast ein bisschen tränenreich, weil es wunderschöne 2 Wochen bei ihnen waren.

Im Bus hatte ich das Glück, dass durch Zufall ein Mitarbeiter von Trip Advisor neben mir saß, der auf Hotelbewertungstour war. Er kennt die Gegend um Santa Marta bis Cartagena sehr gut, weshalb ich eine persönliche Sightseeing-Tour hatte. Er hat mir auch sofort einen Plan gemacht, was ich alles unbedingt in der kurzen Zeit in Cartagena besichtigen soll und hat mir die Nummer seines Taxifahrers des Vertrauens gegeben. Letztendlich war ich sehr froh über diese Informationen, denn somit wusste ich gleich, wo ich überall hin möchte. Nach kurzem Aufenthalt im Hostel bin ich auf „la Popa“ gefahren, dem einzigen Hügel und höchsten Punkt der Stadt, von dem ich eine geniale Aussicht hatte. Danach bin ich zum Schloss San Juan gefahren und anschließend in die historische Altstadt gelaufen. Cartagena ist zu dreiviertel vom Meer umgeben und hat einen wunderschönen historischen Kern. Dieser ist von der alten Stadtmauer umgeben, auf der man entlang laufen kann. Leider hatte ich irgendetwas Falsches gegessen und bin anfangs nur von Toilette zu Toilette gerannt, bis ich mir eine Tablette in der Apotheke geholt habe, um meinen einzigen Tag in dieser wunderschönen Stadt auszunutzen, um alles zu erkunden. Danach ging es mir viel besser und ich konnte das „Italien-Feeling“ genießen, denn die Stadt besteht aus vielen, alten, gepflegten Gebäuden. Zu dieser Zeit ist Cartagena natürlich auch voll mit Touristen und man könnte auch meinen, dass man in einer schönen Stadt in Europa ist, aber mich hat die Stadt sehr beeindruckt. Lustigerweise habe ich ein Pärchen aus Medellín kennengelernt, mit denen wir uns jetzt einmal treffen wollen. Außerdem habe ich durch Zufall ein deutsches Pärchen angesprochen mit denen ich abends noch ein bisschen die Stadt bei Nacht abgelaufen bin. Im Hostel hab ich dann noch viele andere Leute aus den verschiedensten Ländern kennengelernt und es wurde Karten gespielt und später noch Tanzen gegangen. Am nächsten Tag bin ich mit zwei Däninnen noch ein bisschen durch die Straßen gelaufen, bevor es für mich zurück nach Medellín ging.

 

Am Montag ging dann auch sofort die Schule wieder los. Das war der erste Schultag für die Lehrer, wie auch für die Schüler. Wir Lehrer haben uns um 7 Uhr zu einer Besprechung getroffen, wo die erst halbe Stunde gebetet und aus der Bibel vorgelesen wurde. Danach wurde noch kurz besprochen, wie die folgenden Tage aussehen und danach gab es Kaffee und Gebäck für alle. Um zehn Uhr kamen dann die Sekundaria-Schüler (6.-11. Klasse) zu einer einstündigen Einführung und Begrüßung mit dem Rektor. Um ein Uhr war das Gleiche für die Grundschüler und um 18 Uhr für die Abendschüler. Da noch viele Lehrer fehlen, weil sie von der Schulleitung noch nicht wieder eingestellt wurden, haben viele Klassen noch keinen Lehrer. Hier ist es so, dass der Vertrag immer nur ein Jahr gültig ist und sie jeweils im Januar neu eingestellt werden müssen. Das vereinfacht es natürlich Leuten zu „kündigen“ beziehungsweise sie nicht wieder einzustellen, allerdings verursacht es auch ein großes Chaos, weil viele Klassen die ersten Wochen ohne Lehrer sind und noch keine Stundenpläne gemacht werden können. Daher sollten Nils und ich die nächsten Tage durch die Klassen gehen und Workshops mit den Schülern machen. Unser allererster Workshop war gleich ein bisschen deprimierend für uns, weil wir uns total viel Mühe gegeben hatten, aber die sechste Klasse einfach gerade in einem sehr schwierigen Alter ist und sich auf keines unserer Spiele eingelassen hat. Wir mussten immer kreativer werden, aber am Ende hatten wir dann doch ein Spiel gefunden, dass zumindest einem Teil gefallen hat. Das sind genau die Situationen, aus denen wir am meisten lernen können. Die Schüler hatten auf nichts Bock und wir demnach auch nicht mehr, aber wir mussten diese 40-Köpfige Klasse irgendwie beschäftigen, weil ihr Lehrer eine Besprechung hatte. Kreativ werden und gleichzeitig akzeptieren, dass nicht immer alles so läuft, wie man es geplant beziehungsweise sich vorgestellt hat.

Gleich danach sollten wir noch einen Workshop mit den 11. Klässlern machen und diese Gruppe war das totale Gegenteil. Wir haben ein Strategiespiel mit ihnen gemacht, dass sie außerordentlich gut gemeistert haben. Auch von den weiteren Spielen waren sie begeistert und wollten noch ewig weiter spielen, obwohl der Schultag schon vorbei war. Die folgenden Tage haben wir noch weiter Workshops gegeben und unsere Arbeit im kommenden Schuljahr geplant. Wir haben super viele Ideen und an Aufgaben wird es sicherlich nicht scheitern, allerdings ist die Schule sowieso schon überfüllt und es gibt zu wenige Klassenzimmer. Somit wird es schwierig, dass wir noch extra Arbeitsgruppen anbieten. Aber wir kümmern uns gerade um einen Raum vom Pfarrer, was leider auch schwierig wird, weil dieser Miete dafür verlangt. Aber es wird sich sicher noch eine gute Lösung finden lassen.

Am Freitag in der ersten Schulwoche hatten die Schüler gleich wieder Schulfrei, denn die Lehrer hatten eine lange Besprechung und es gab auch noch kein richtiges Programm für die Schüler.

Da auch diese Woche noch einige Lehrer fehlen, hat meine Gastmutter immer an die 80 Schüler. Deshalb hat sie mich gefragt, ob ich ihr helfen kann, was ich natürlich mache. An einem Tag sollte ich dann das untereinander Summieren beibringen und anschließend einzelnen Schülern helfen, während meine Gastmutter ihre süßen Milchpulver und Gummibärchen an die Schüler verkauft hat. Dies stellte sich als sehr schwierig heraus, da es in so einer großen Klasse schnell laut und chaotisch wird. Noch problematischer jedoch ist, dass die Schüler zwischen 6 und 13 Jahre alt sind, die einen diese Stufe schon zum dritten Mal machen und diese „einfache“ Aufgabe somit schnell erledigt hatten, während andere Schüler noch nicht einmal bis 100 fehlerlos zählen können und eigentlich viel mehr Hilfe vom Lehrer bräuchten. Aber wir können leider nicht gleichzeitig 80 Kindern helfen. Ein anderes Mal war ich in der Situation allein mit dieser großen Klasse zu sein, als meine Gastmutter zum Chef gerufen wurde. Ich war schon gut mit Juan beschäftig, einem super intelligenten Jungen, der eine kleine geistige Behinderung hat und somit ständig Hilfe braucht. Außerdem kamen ständig Schüler zu mir, weil sie auch Hilfe bei der Matheaufgabe brauchten oder weil sie Süßes kaufen wollten, was ich natürlich für meine Gastmutter weiterverkaufen musste. Ich würde sagen, dass ich mittlerweile schon gelassener geworden bin und es mich nicht stört, wenn es nicht mucks Mäuschen still ist. Jedoch werde ich manchmal ungeduldig, wenn ich demselben Schüler schon x-fach erklärt habe was er machen soll und er wieder keine Ahnung hat. Zudem bin ich zwar eine Frau, aber hypermultifunktionsfähig bin ich leider nicht, das heißt ich kann einfach nicht 15 Schülern gleichzeitig zuhören, Mathe erklären und Süßes verkaufen. Dann werde auch ich manchmal ein bisschen lauter (ich glaube das muss einfach manchmal in solchen Situationen sein…:D) und wenn dann wieder alle auf ihren Plätzen sitzen kann es wieder ein bisschen geordneter weiter gehen. Jetzt lässt sich einfach nur hoffen, dass ganz schnell ein weiterer Lehrer eingestellt wird und die Schüler auf zwei Klassen aufgeteilt werden, denn so kann man einfach nicht jedem Schüler gerecht werden.

Unser Urlaubsfeeling ist auch nicht gleich verschwunden, denn vorletzten Mittwoch haben wir Besuch von Eva und Pablo bekommen, zwei Freunden von der Spanierin Jara, die vor Weihnachten bei uns zu Besuch war. Zudem hat uns ein anderer Freiwilliger auf seiner Reise einen deutschen Fahrradreisenden vermittelt, der auch noch eine Unterkunft in Medellín gesucht hat. Unsere Wohnung war demnach voll, aber es waren sehr schöne Tage, denn wir haben viel mit ihnen unternommen und hatten immer gutes Essen. Denn Pablo ist Sternekoch auf Menorca und hat demnach immer für uns gekocht.

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Hier mit Eva und Pablo an der Bushaltestelle und die Frage: Was gibt’s denn Leckeres zum Abendessen?? 😀

Abschließend kann ich sagen, dass ich wunderschöne Ferien hatte, super ins neue Jahr gekommen bin und eine tolle Zeit mit Aimans lieber Familie verbracht habe. Jetzt freue ich mich jedoch auch schon tierisch, dass die Arbeit im Projekt weitergeht beziehungsweise so richtig losgeht, weil wir viele neue Kurse anfangen. Jetzt müssen wir nur noch warten, bis die Stundenpläne endlich erstellt werden und dann kann so richtig durchgestartet werden. Auch können wir das WG-Leben so richtig genießen, weil so lange wohnen wir auch noch nicht hier und möchten noch viel mehr hier in der Gegend erkunden und ausprobieren.

Liebe Grüße und bis bald,

eure Alexandra

Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr 2017!

Hallo ihr Lieben,

zu allererst möchte ich Euch allen noch frohe Weihnachten wünschen! Ich hoffe ihr habt auch alle so schön mit euren Familien gefeiert, wie wir es hier erleben durften.

Außerdem gibt es Neuigkeiten, denn wir sind jetzt seit ca. zwei Wochen endlich in der neuen Wohnung. In der ersten Woche waren wir noch sehr viel damit beschäftigt, uns um die gesamte Einrichtung zu kümmern, aber damit sind wir jetzt auch so gut wie fertig und fühlen uns sehr wohl hier.

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Wir hatten glücklicherweise ganz viel Hilfe von den Soto-Kindern in der Wohnung. Hier zum Beispiel haben Simon und Susanna uns geholfen, die Paletten auseinander zu sägen, woraus wir Betten, Regale und ein Sofa gebaut haben.

Letzte Woche konnten wir uns dann auch ein bisschen den Weihnachtsvorbereitungen widmen und haben ganz viele Novenas mitgemacht. In Kolumbien ist es so üblich, dass an den neun Tage vor Weihnachten schon ein bisschen gefeiert wird. Die Menschen gehen öfter in die Kirche und machen meistens zu Hause mit ihren Familien und Freunden sogenannte Novenas, wo gebetet, gesungen und Süßes gegessen wird.Wir haben einige Novenas bei den Sotos (Rektor mit seiner 14-köpfigen Familie) mitgemacht. Das Wohnzimmer war dann immer voll mit Kindern aus der Nachbarschaft und danach gab es die weihnachtstypische Natilla, eine Art Weihnachtspudding und Bunelos (frittierte Käseteigbällchen).

An den neun Tagen hat die Kirche jeden Tag um 5 Uhr in der früh sogenannte Villancicos (Weihnachtslieder) gespielt, bis dann um 5:30 Uhr die Messe los ging. Da wir direkt an der Kirche wohnen und die Fenster, beziehungsweise die Wänder nicht so schalldicht sind, wurden wir meistens von der morgendlichen Musik wach. Ich bin auch dreimal in die Morgenmesse gegangen, um das vorweihnachtliche Leben hier mitzuerleben. Die Kirche war auch immer voll und es lief so ab,  dass erst der Rosenkranz gebetet wurde. Dafür haben alle die Kirche verlassen und sind hinter dem Pfarrer durch das Viertel gelaufen und dabei gebetet und gesungen. Danach gab es noch eine Messe in der Kirche und anschließend wurden wir meistens von Hector auf einen Tinto (Kaffe) eingeladen und sind dann ganz schnell wieder ins Bett gegangen.

Außerdem haben wir letzte Woche Besuch von Jara bekommen, einer Spanierin, die fast mit unserer Organisation auch einen Freiwilligendienst gemacht hätte und wir kennen  uns vom Vortreffen. Sie bereist gerade für mehrere Monate Nicaragua und Kolumbien und hat die Tage in Medellin bei uns verbracht.

Am 24. Dezember habe ich Mittags meine Gastmama besucht und dann zusammen mit ihr und ihrem Bruder zu Mittag gegessen. Wir haben dann eine kleine Bescherung gemacht und danach bin ich wieder nach Hause gefahren, was an diesem Tag ein bisschen länger gedauert hat, denn alle haben auf den letzten Drücker noch Weihnachtsgeschäfte erledigen müssen, was einen riesigen Verkehrsstau verursacht hat. Ich war demnach dreimal so lange unterwegs und habe dann noch ganz schnell die 15 Geschenke für die Sotos mit Nils zusammen fertig gemacht, bevor es dann in die Kirche ging. Danach wurde schnell die Familie von Tere besucht und anschießend wurde bei den Sotos gekocht. Um 24 Uhr gab es dann endlich Abendessen und danach gab es eine riesen Bescherung. Wir haben für jeden ein kleines lustiges Geschenk gebastelt, was sehr gut ankam.

Danach sind wir mit den ältesten Soto-Kindern noch zu unseren Nachbarn gegangen, die draußen gefeiert haben. Dort wurde gegrillt, getanzt, gesungen und Aguadiente getrunken bis die Sonne aufging. Das Tolle war, dass Menschen jedes Alters dabei waren. Sogar unsere Vermieter, die auf die 70 zugehen.

Wir mussten dann schnell heim, Tasche packen und ein Stündchen schlafen, denn um 8 Uhr sind wir gleich mit allen Sotos auf eine Finca seines Cousins gefahren. Zu unserer Überraschung waren wir nicht im kleinen Kreise der Familie, sondern es kamen so ziemlich alle Cousins und Cousinen mit Kindern und die Finca wurde so richtig voll. Schlafplätze gab es somit nicht genügende und die meisten mussten am Boden oder in Zelten schlafen, was sehr kalt wurde, weil kaum einer eine gute Decke dabei hatte. Ich habe durch Glück im zweiten Stock am Balkon noch eine super bequeme Hängematte gefunden und bin mit einer tollen Sicht in den Bergen aufgewacht. Kurz vor der Heimfahrt wurde dann beschlossen, dass wir und eine andere Familie noch eine Nacht länger bleiben, was richtig toll war, denn es waren so viele Kinder und wir haben von jung bis alt die verschiedensten Spiele gespielt und getanzt. Zudem war gleich in der Nähe ein kleiner Fluss mit winzigem Wasserfall, wo wir baden gegangen sind und eine Schlammschlacht gemacht haben.

Gestern hieß es für mich dann Wäsche waschen und heute Abend fahre ich jetzt endlich nach Ocana zu meinem Gastbruder, der ein Jahr lang bei meiner Familie in Deutschland gelebt hat. Dort werde ich Silvester und anschließend Karneval verbringen und danach mit seiner Familie noch an den Strand fahren.

Ich wünsche Euch allen einen super guten Rutsch ins neue Jahr 2017 und erholsame Tage!!!

Bis bald und ganz liebe Grüße

Alexandra

 

 

 

Wohnung hin, Wohnung her, warum ist das so schwer…?

Hallo ihr Lieben,

mich freut es sehr, dass viele von Euch immer fleißig meinen Blog verfolgen und deshalb möchte ich mich sehr dafür entschuldigen, dass so lange nichts von mir kam.

Seit meinem letzten Eintrag ist sehr viel passiert, aber eines kann ich gleich sagen: Mir geht es sehr gut hier.

Nachdem Nils und ich auf dem Lehrerausflug in Covenas/Tolu dabei waren, hat mich eine große Überraschung in Medellín erwartet: Mein Gepäck war endlich da, nach über eineinhalb Monaten. Der kleine Kurztrip an den Strand war richtig schön, vor allem hatten wir die Möglichkeit einige unserer Kollegen und deren Familien gleich besser kennenzulernen. Wir sind bei Regen in Medellín abends in den Bus gestiegen und dann ging die 14 Stunden Fahrt los. Gleich zu Beginn haben alle zusammen gebetet und danach ging die Party los. Zuerst wurde noch an einem Kiosk gehalten und eine 5 Liter Aguadienteflasche (Schnaps) gekauft und die Musik lief die ganze Nacht in einer Lautstärke, dass man nicht schlafen konnte. Vorne im Bus wurde dann die ganze Nacht gefeiert und hinten haben Familien mit Babys und Omis und Opis geschlafen, was uns verwundert hat, dass das keinen stört. Als wir endlich ankamen, stiegen wir wie Eiszapfen aus, denn der Bus war extrem heruntergekühlt. Jedoch war man in der Hitze sofort wieder aufgetaut. Die nächsten Tage haben wir dann in den Ferienwohnungen verbracht, wo wir Essen bekommen haben und sind tagsüber ins Meer oder in den Pool gesprungen. Nils und ich haben auch immer wieder die Kinderbetreuung übernommen und mit den Kleinen gespielt, was den Eltern super gefallen hat. Abends saßen wir dann immer am Strand zusammen und haben getanzt und gefeiert. Der letzte Abend war die Fiesta Blanca, wo alle in weißen Kleidern am Lagerfeuer saßen. Hier noch ein paar Bilder davon…

 

Als wir wieder in Medellín waren, ging es für uns dann sofort weiter auf Wohnungssuche und das ist eine komplizierte Geschichte. Wohnungen sucht man hier am besten, indem man durch die Straßen geht und jede Person, die man trifft nach einer Wohnung fragt. Die ein oder andere Wohnung kann man dann auch sofort anschauen, jedoch waren die meisten leider ungeeignet für uns. Als wir dann letztendlich ein Objekt mieten wollten, kam uns über Bekannte noch eine viel bessere Wohnung zugeflogen. Allerdings mussten wir ein knappes Monat warten, bis die momentane Mieterin auszieht und somit sind wir noch länger in unseren Gastfamilien geblieben. Kurz bevor sie eigentlich ausziehen wollte, bekamen wir die Nachricht, dass die Dame jetzt doch nicht auszieht und mir mussten von neuem auf Wohnungssuche gehen. Das war auch zeittechnisch nicht mehr so einfach, weil wir jetzt täglich bis spätnachmittags arbeiten mussten und erst dann noch losgezogen sind, um Wohnungen zu erfragen. Schließlich hatten wir unsere Traumwohnung (mit Balkon :)) gefunden, jedoch war das sehr kompliziert, denn die musste man über eine Immobilienfirma mieten und dafür benötigt man zwei Personen, die für einen bürgen. Allerdings haben sie alle unsere Bürger (Nils Gasteltern, meine Gastmama…) nicht akzeptiert und bis wir endlich eine akzeptable Person gefunden hatten, war die Wohnung schon an andere Leute vermietet, obwohl es anfangs hieß, dass sie für uns reserviert ist… Naja wir mussten echt nur noch lachen, dass das so ein hin und her ist bei uns mit der Wohnung. Letztendlich hat sich jetzt herausgestellt, dass die Vermieter von der Wohnung auf die wir so lange gewartet haben, die Mieterin jetzt herauswerfen, weil sie keine Miete mehr zahlt und wir dann einziehen können. Wir warten jetzt wieder seit einer Woche, aber wenn alles gut läuft, sind wir noch diese Woche endlich in unserer Wohnung 🙂 Dieses Hin und Her ist auch der Grund, warum ich so lange nicht zum Schreiben gekommen bin…

Bei meiner Gastfamilie geht es mir super. Meine Gastmutter achtet sehr darauf, dass ich auch ja nicht verhungere und bemuttert mich sehr. Vor ein paar Wochen war die Taufe von Paulina, der Tochter meiner Gastschwester. Die Feier war an einem Sonntag bei meiner Gastschwester unter uns in der Wohnung. Am Abend vorher haben wir alle zusammen Tamal (eine Spezialität aus dem Chocó) gekocht. Zu Besuch kam eine Cousine, die Taufpaten, ein paar befreundete Lehrer und der Pfarrer. Zuerst wurde zusammen gegessen, was so lustig war, denn das Essen ist viel zu scharf geworden und man konnte es eigentlich gar nicht richtig essen ohne ständig Milch nach zu trinken :D. Danach wurde eine Kerze angezündet und der Pfarrer hat ein paar Bibelstellen vorgelesen, es wurde gebetet und die Kleine wurde mit einem Glas Wasser getauft. Danach war das Fest auch schon vorbei und ich bin am Abend noch mit meiner Gastmama und Vanessa ins Zentrum gefahren und wir sind ein bisschen spazieren gegangen.

Nils Gastfamilie mag ich auch sehr und da bei denen immer etwas los ist (bei 12 Kindern), verbringe ich sehr viel Zeit bei ihnen. Vor ein paar Wochen sind wir mit ihnen, wobei nur 6 seiner Kinder dabei waren, nach Marinillas gefahren, dem Dorf, wo Hector herkommt. Zuerst haben wir verschiedene Tanten und Onkel in ihren Fincas besucht und jeweils etwas zu Essen und Trinken bekommen. Dann haben wir bei John Heider, dem Bruder von Hector (auch Lehrer an der Schule) auf der Finca übernachtet. Ich habe mir mit den drei kleinen Mädchen ein Stockbett im Nebenzimmer von den Eltern geteilt und hatte große Angst nachts runterzufallen, denn die Kleine hat sich auf unserer Matratze sehr breit gemacht. Am nächsten Morgen sind wir mit allen nach Guatapé gefahren, haben den großen Felsen bestiegen und die Stadt besichtigt. Dieser Ausflug hat uns richtig gut getan, mal raus aus der Stadt und frische Landluft zu genießen.

 

In letzter Zeit waren richtig viele Feiertage und an einem der freien Montage waren wir zusammen mit einem Duzend Soto-Kindern und vielen Freunden Paintball spielen. Das war richtig lustig, weil wir gestapelt in dem Bus von Hector auf eine Finca hier ganz in der Nähe gefahren sind. Dort haben wir einen schönen Tag verbracht und Mittagessen bekommen.

 

Vorletztes Wochenende war die Erstkommunion von Valentina, einer Tochter von Hector. Ich habe der ältesten Tochter Laura beim Kaufen der Deko und am Tag selber beim Herrichten geholfen. Wir sind extra ganz früh aufgestanden, aber es war so viel zu tun, dass ich es leider nicht geschafft habe, den Gottesdienst zu besuchen. Danach kam die ganze Familie zu den Sotos und am Nachmittag sind alle in den geschmückten Saal gegangen und es kamen ca. 40 Kindern mit ihren Eltern. Es gab ein großes Buffet und alle haben gespielt, getanzt und viel Spaß gehabt.

Jetzt aber mal zum Wichtigsten meines Freiwilligendienstes: meiner Arbeit in der Schule Pequena Maria. Der Schulalltag beginnt um 6:30 Uhr für die Schüler der Secundaría (6.-11.Klasse). Währenddessen besuchen die Vorschüler die Prescolar von 8:00 Uhr bis 12:00 Uhr. ab 12:30 Uhr geht es dann mit den Primaría-Kindern (1.-5.Klasse) weiter. Anschließend findet noch die Nocturna (Abendschule) von 6:00 Uhr bis 21:30 Uhr statt. In den ersten Wochen im Projekt sind wir immer bei den Lehrern mitgegangen, haben im Unterricht zugeschaut, eine Fragestunde zu uns und Deutschland gemacht oder spontan eine Deutsch-, Englisch- beziehungsweise Spielestunde gehalten. Danach haben wir uns mit Hector einen Stundenplan erstellt und haben jetzt auch schon eigene Stunden. Ich gebe momentan vier Stunden in der Woche Englisch bei den Vorschülern, was mir riesigen Spaß bereitet, denn die Kleinen machen immer toll mit. Außerdem bin ich jeweils eine Stunde in der Woche bei den drei zweiten Klassen und unterrichte ebenfalls Englisch. Nils hilft im Sport- und Sozialunterricht. Momentan haben wir jedoch noch nicht mehr Kurse, weil das Schuljahr jetzt so gut wie zu Ende ist und die Schüler haben ihre großen Ferien. Deshalb hat es sich auch nicht mehr rentiert mit Deutschkursen, Musikklassen, Theater- und KunstAGs zu beginnen. Wir haben jedoch viele Ideen und auch Hector ist begeistert davon und hat noch viel mehr Pläne, was sich hoffentlich ab Januar realisieren lässt.

Neben meinen wenigen festen Stunden habe ich immer spontan geholfen, wo ich nur konnte. Beispielsweise habe ich ein paar Mal den gesamten Unterricht meiner Gastmutter übernommen, als sie entweder krank war oder keine Lust hatte. Da war es dann auch Spanisch und Mathe, was mir sehr viel Spaß macht. Allerdings ist es auch sehr anstrengend, denn man hat so um die 40 Schüler und einige von ihnen können nicht lange still sitzen und mein Stimmorgan ist einfach nicht so kräftig, dass ich wie meine Gastmutter einfach mal über den Lärm der Klasse brülle. Aber ich habe auch schon ein paar Tricks gelernt, zum Beispiel ein Lied wo die Schüler dann Bewegungen machen müssen, die ich sage und sofort hat man wieder die Aufmerksamkeit von allen und kann entspannt weiter machen mit dem Unterricht. In den letzten Wochen kam es auch öfter vor, dass alle drei 2. Klassen zusammen waren und ich dann plötzlich über 90 Schüler hatte… Das war dann schon eine Herausforderung, aber auch das hat funktioniert.

Einmal habe ich den Kunstunterricht in der 10. Klasse übernommen und die Schüler durften dann nach einer kleinen Theorieeinheit über Albrecht Dürer (einem bekannten Künstler aus meiner Heimatstadt Nürnberg) eines seiner bekanntesten Werke nachzeichnen. Ich war begeistert, wie gut die ein oder anderen das Nashorn abgebildet haben. Zu meiner Überraschung hat mir die Lehrerin eine Woche später die Gemälde mitgebracht und ich sollte sie dann bewerten und sie nimmt sie mit in den Notenbogen auf. Das war gar nicht so leicht, weil ich nicht zu gut, aber auch nicht zu schlecht bewerten wollte… Letztendlich war ich jedoch eher großzügig. Nicht nur das benoten war schwierig, auch das Wissen, dass meine Schüler gerade mal ein oder zwei Jahre jünger sind als ich, war ein bisschen komisch. Aber wir werden eigentlich schon als Lehrer angesehen und auch immer mit ‚Profe‘ angesprochen. Nicht nur an der Schule, sondern auch wenn ich durchs Barrio laufe, werde ich von allen Seiten mit ‚Profe‘ angesprochen und höre immer wieder, dass Schüler ihren Eltern erklären, dass ich die neue ‚Englischlehrerin‘ an der Schule bin, was mich fast schon ein bisschen stolz macht.

Außerdem hab ich der Theaterlehrerin geholfen und die Stunde bei der Nocturna übernommen. Ich hatte nur 60 Minuten und das war für mich schon eine kleine Herausforderung, denn die Leute in der Nocturna sind sehr unterschiedlich. Somit hatte ich eine Gruppe, die aus Jugendlichen (die schon so oft durchgefallen sind, dass sie nur noch abends kommen können), Menschen mit Behinderung, Schulabbrechern und Erwachsenen beziehungsweise Omis und Opis (die noch Lesen und Schreiben lernen möchten und einen Abschluss wollen) bestand. Auf Grund dieser bunten Gruppe habe ich mir eher Spiele überlegt mit kleinen Theater Szenen und ich war begeistert, wie toll die Stunde lief. Ich hoffe sehr, dass ich im kommenden Schuljahr regelmäßig Theaterworkshops anbieten kann.

Wenn ich sonst nichts zu tun hatte, bin ich immer zu den Vorschülern gegangen, denn die Lehrerin kann immer Hilfe gebrauchen und freut sich immer wenn ich komme. Die Kinder kommen immer gleich her und umarmen einen, aber erzählen einem auch, warum sie traurig oder fröhlich sind. Dort basteln wir auch immer viel oder bereiten Dekoration für sämtliche Feste vor.

Damit sind wir auch schon beim Thema. In letzter Zeit sind ganz viele Feiern, wo wir immer kräftig in der Vorbereitung und beim Abbauen helfen. Es fing Ende Oktober mit der Halloween-Feier an, die für alle Schüler im Colloseum stattgefunden hat. Alle Lehrer haben einen kleinen Beitrag zum Programm gegeben und haben meistens gesungen oder getanzt. Nils und ich haben eine kleine Clownsshow gemacht und Zaubertricks aufgeführt. Seitdem werden wir immer von den Schülern gefragt, ob wir denn nicht den Stift oder die Münze wegzaubern können. Allerdings hatte ich an diesem Tag keine Stimme, was das Ganze noch lustiger gemacht hat, weil ich wie eine Vogelscheuche rumgekreischt habe 😀

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Letzten Donnerstag war die Abschiedsfeier von den Vorschülern, denn die kommen ab nächstem Jahr in die erste Klasse. Dazu waren wir mit den Lehrerinnen Christina und Maritza im Zentrum und haben für jedes Kind ein kleines Geschenk und alles andere für die Feier gekauft. Meine Gastmutter hat dann für alle Pommes und Würste frittiert, es gab Eis und Süßigkeiten, alle haben getanzt, gesungen, gelacht und viel Spaß gehabt. Der Höhepunkt waren dann noch die Pinatas, die Nils und ich gebastelt haben.

Am Samstag war der Ball für die 11.Klässler, die jetzt Abschluss gemacht haben. Dazu bin ich mit meiner Gastmutter und einer Reinigungskraft am Freitag den ganzen Morgen im Zentrum gewesen und wir haben die ganzen Lebensmittel für die 140 Personen gekauft. Danach wurde gleich weiter an der Deko gebastelt. Samstagmorgen waren wir dann ab 7 Uhr in der Schule und haben alles geschnipselt und gekocht. Wir waren ziemlich viele Lehrer und haben dann das Colloseum (überdachter Platz an der Schule) sehr schön dekoriert. Um sechs Uhr ging dann die Feier los und alle waren total schön gekleidet. Nach der Zeremonie haben wir dann das Essen und alles serviert und danach wurde alles wieder aufgeräumt.

 

Am Montag war dann noch der Abschlussball von den Vorschülern und die Zeremonie lief so ähnlich ab, wie bei den Abiturienten. Wie auch am Samstag haben wir geholfen alles zu dekorieren und haben danach noch mit Kuchen und Limo verteilt. Nils hat ein Lied mit den Kleinen zum Abschied einstudiert und ich war auch meistens bei den Proben dabei und das haben wir dann mit den Jungen und Mädchen ihren Eltern vorgeführt, was super süß war.

Jetzt sind noch kleine Feiern für die anderen Schüler an der Schule und vielleicht können wir noch ein paar Workshops anbieten, bevor auch wir dann Ferien haben. Ich bin schon gespannt, wie Weihnachten hier wird, denn die meisten Häuser sind schon kunterbunt mit Lichtern geschmückt. Ich werde Euch auf jeden Fall auf dem Laufenden halten!

Zum Abschluss hier noch ein paar Bilder mit den Soto-Kindern, da ich leider von den anderen Feiern keine Bilder mehr habe, denn mein Handy ist leider kaputt gegangen. Wir hatten jedoch sehr viel Spaß dabei die Menschenpyramiden zu bauen… 😀

Viele liebe Grüße aus Medellín,

Alexandra

Ersten Wochen in Medellín

Hola amig@s!

So jetzt bin ich schon seit über einem Monat hier in Medellín – Kolumbien, da wird es allerhöchste Zeit, ein bisschen zu berichten.

Meine Reise ging in München los, wo ich mich dann von meiner Familie für ein Jahr verabschiedet habe. In Paris habe ich mich dann mit den anderen elf WI-Freiwilligen (unsere Aussende-Organisation WI – Weltweite Initiative für soziales Engagement e.V.) getroffen, die auch das Jahr in Kolumbien verbringen werden. Zusammen ging es dann weiter nach Fort Lauderdale/Miami, wo wir eine wunderschöne Nacht am Flughafen verbracht haben. Dort hatte mich dann auch schon eine mehr oder weniger große Überraschung erwartet: Mein Gepäck war nicht da! Um ehrlich zu sein, musste ich anfangs nur lachen, weil ich ein paar Tage zuvor noch Witze gemacht habe, dass sowas ja immer den anderen passiert und dann waren meine Sachen nicht da. Aber glücklicherweise hatte ich ein paar Wechselklamotten im Handgepäck und dachte nach ein paar Tagen wird es schon nachkommen. Nach gut 40 Stunden Reisezeit war es dann soweit: Endlich sind wir in Kolumbien angekommen und waren trotz Müdigkeit voller Vorfreude, was uns jetzt so erwartet.

Zunächst wurden wir von Aáron, einem unserer Mentoren abgeholt und sind mit ihm ans Hostel gefahren, dass wir extra für unser On Arrival Training (Ankunftsseminar) gemietet hatten. Dort wurden wir herzlich von den anderen 6 Freiwilligen, die schon ein paar Tage vor uns angekommen sind und Julian empfangen. Julian ist genauso wie wir Freiwilliger für ein Jahr, allerdings ist er schon ein bisschen älter als wir, hat schon studiert und ist derjenige, der zusammen mit Pablo (Chef von WI) und Clemens (einem Ex-Freiwilligen) die ganzen Projekte und Orte ausgesucht hat, weil wir ja der erste WI-Jahrgang in Kolumbien sind. Gleich am nächsten Abend war unsere Welcome-Party, zu der auch all unsere kolumbianischen Mentoren kamen, damit wir sie gleich besser kennen lernen konnten. Damit jeder wusste, wer sein Mentor ist, hat Julian uns eine Eigenschaft von unserer Person gesagt und wir sollten sie dann durch herumfragen finden und gleichzeitig Spanisch üben. Mein Mentor hatte die Eigenschaft: 11 Geschwister. Das war auch gar nicht so schwer zu finden, weil das konnte nur ein Kind von Héctor, dem Rektor der Schule Pequena Maria (meinem Projekt) sein. Mein Mentor heißt Mateo und ich verstehe mich sehr gut mit ihm. Die folgenden Tage bestanden daraus, dass wir täglich zwei Stunden Spanischunterricht bei den Lehrern hatten, die uns auch noch die folgenden 4  Wochen unterrichten werden, viel von Medellín gesehen haben und ich täglich bei der Fluggesellschaft, wegen meinem verlorenen Gepäck angerufen habe. Die letzte Nacht haben wir dann noch auf einer wunderschönen Finca in Giradota (dort werden auch vier Freiwillige leben und arbeiten) verbracht, um uns von dem anstrengenden und vollen Programm zu erholen 😉

Nach einer Woche Seminar ging es dann endlich in die Gastfamilien. Allerding wussten Nils und ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wer unsere Gastfamilien sind und deshalb sind wir zusammen mit Julian zu Héctor Soto gefahren. Dort haben wir erfahren, dass Nils bei ihnen bleiben wird und ich am nächsten Tag dann zu einer Lehrerin der Schule ziehen werde. Aus dem morgen wurden dann ein paar ‚morgen‘ mehr, aber ich habe die Zeit bei Familie Soto auch sehr genossen, denn bei 12 Kindern ist immer viel los.

An diesem Wochenende hatten wir dann den Clownsdoktorenworkshop in einem Kinderkrankenhaus in Medellín und können jetzt als Clownsdoktoren an den Wochenenden mit den „erfahrenen Clownsdoktoren“ mitgehen und auch mit Lachtherapien machen. Diese Organisation gibt es in einigen Städten Kolumbiens und viele Ehrenamtliche gehen am Wochenende in Krankenhäuser und singen, tanzen, spielen mit den kranken Kindern, erzählen Geschichten oder machen Zaubertricks, damit die Kindern lachen und hoffentlich schnell wieder gesund werden.

Am Montagabend hat mich Mateo dann zur Schule mitgenommen und ich durfte mein Projekt zum ersten Mal sehen. Er ist auch Lehrer und unterrichtet Sport und Naturwissenschaften. Dort habe ich dann auch meine Gastmutter Luz kennengelernt. Nach ihrem Unterricht bin ich dann mit ihr nach Hause gegangen und habe dort den Rest meiner Gastfamilie kennengelernt. Jolanda (28) ist auch Lehrerin an der Schule und hat schon eine kleine Tochter Paulina (10 Monate). Sie wohnt eigentlich unter uns, aber da ihr Mann für zwei Jahre im Amazonasgebiet arbeiten muss, lebt sie bei ihrer Mutter oben in der Wohnung mit. Johann (27) wohnt auch zu Hause und hat jetzt noch ein Jahr an der Universität. Dann wohnt noch Vanessa (14) hier, die tagsüber auf Paulina aufpasst und ab 6 Uhr in die Abendschule geht. Sie ist nicht verwandt mit meiner Gastfamilie, aber kommt auch aus dem Chocó, einer Region am Pazifik, wo auch meine Familie herkommt. Ich verstehe mich sehr sehr gut mit allen und wurde vom ersten Tag an herzlich aufgenommen und bin schon ein Teil der Familie, wie meine Gastmama das immer sagt. Sie ist auch immer sehr besorgt um mich, dass mir auch nichts passiert. Am liebsten wäre es ihr auch, dass ich das komplette Jahr bei ihnen wohne und nicht nach einem Monat mit Nils, meinem Projektpartner in eine WG zusammenziehe. Aber wir haben schon jetzt vereinbart, dass ich sie mindestens einmal in der Woche besuchen komme und immer zu ihnen kommen kann, wenn ich etwas brauche.

Da wir der erste WI-Jahrgang in Kolumbien sind, gibt es für uns keine Wohnungen von den Vorgängern, in die wir dann einziehen können, sondern wir müssen erst einmal auf Wohnungsjagt gehen. Dazu haben Nils und mir unsere Gastfamilien einige Kontakte hergestellt und wir sind viel durch die Straßen gelaufen und haben Leute angesprochen, ob sie denn nicht wüssten, wo eine Wohnung frei ist. Mittlerweile haben wir auch ein paar schöne Objekte in Aussicht, aber die Entscheidung trifft letztendlich WI. Wir müssen uns nur beeilen, weil Wohnungen gehen hier weg wie warme Semmeln. Aber zu unserer Wohnung gibt’s dann ein anderes Mal mehr.

Unter der Woche haben wir jeden Tag zwei Stunden Spanischunterricht im Zentrum Medellíns, wofür ich jedes Mal ca. eine Stunde mit dem Bus brauche. Nach dem Unterricht bin ich jetzt oft Shoppen gegangen, da mein Gepäck bis heute noch nicht aufgetaucht ist und ich mit zwei Outfits und Wanderschuhen nicht mehr ausgekommen bin. Es hat sich ein bisschen angefühlt wie Shopping Queen, weil die Fluggesellschaft meine Notkäufe erstatten muss. Jedoch ist die ganze Gepäckgeschichte sehr kompliziert und neben mir haben sich auch meine Eltern und Bekannte sehr dafür eingesetzt und waren ständig mit der Fluggesellschaft in Kontakt, aber leider hat mein Rucksack es nur um die halbe Welt geschafft und ist seit New York nicht mehr auffindbar. Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es doch noch irgendwann durch ein Wunder in Medellín ankommt. Durch meine Einkaufstouren kenne ich einige Verkäufer schon besser bzw. sie kennen mich und es ist immer schön, wenn ich vorbei laufe und dann unterhält man sich ein bisschen.

Da wir täglich Spanischunterricht haben, arbeiten wir noch nicht richtig im Projekt. Wir waren jetzt schon einige Male in der Schule, um alles ein bisschen besser kennenzulernen, aber so richtig geht es erst am 17. Oktober los. Diese Woche sind jetzt auch Ferien und da die Lehrer alle zusammen an den Strand fahren für 4 Tage, nutzen Nils und ich das gleich und fahren mit, um unsere Kollegen besser kennenzulernen. Wenn ich dann richtig in der Schule arbeite, gibt es auch noch einen längeren Bericht darüber, wie meine Arbeit genau aussieht.

Neben unserem Hauptprojekt werden wir einmal in der Woche in einem anderen Projekt arbeiten, das wir uns selbst aussuchen dürfen. Ich möchte sehr gerne bei TECHO arbeiten. Das ist eine Projekt, dass 1997 von einem Priester in Chile gegründet wurde mit dem Ziel: un Techo para mi país (ein Dach für mein Land). Heute gibt es diese Organisation in über 20 Ländern Lateinamerikas, wie auch in 5 Städten Kolumbiens. Dort arbeiten viele, meist junge kolumbianische Studenten jedes Wochenende in den Barrios (ärmeren Viertel der Stadt) und bauen Häuser für Familien, halten diese in Stand oder organisieren soziale Projekte. Milan, ein Mitfreiwilliger und ich waren deshalb im Büro TECHO Medellín und haben mit dem Chef hier geredet und durften dann gleich vergangenen Samstag mitarbeiten. An diesem Tag haben wir uns sehr früh getroffen und sind in einem Lastwagen dann in ein Barrio gefahren, wo wir dann auf zwei große Lastwägen voll mit Material für Häuser gewartet haben. Diese Wände, Türen, Fenster etc. mussten wir dann in kleinere Transporter umladen und zu den jeweiligen Familie bringen und dort ausladen. Die Arbeit war sehr anstrengend, vorallem weil wir 12 Stunden beschäftigt waren, aber es hat sehr viel Spaß mit den anderen Techo-Freiwilligen gemacht und somit haben wir gleich neue Leute kennengelernt.

In meiner Freizeit war ich jetzt schon zweimal Volleyballspielen mit Susanna (18), einer Tochter von Hector mit der ich mich super verstehe. Während dem Seminar hatten wir schon zwei Salsa-Stunden und Nils und ich waren mit Mateo und ein paar seiner Geschwister bei einem Tanzkurs für Porro, Salsa und Merengue, was uns allen viel Spaß bereitet hat.

Ein Thema dürfte Euch noch interessieren, welches ihr sicherlich in den Nachrichten beobachten konntet… Der gescheiterte Friedensvertrag in Kolumbien… Aber erstmal von Anfang an: Letzten Sonntag gab es eine Volksabstimmung über den Friedensvertrag. Seit Jahren verhandelt der Staat und die Farc über ein Abkommen und sind jetzt zu einem Vertrag gekommen, den die beiden Seiten schon unterzeichnet hatten, er aber erst in Kraft tritt, wenn das Volk dafür stimmt. Das Volk hat zu 50,21 Prozent dagegen gestimmt und somit gegen dieses Abkommen. Ich habe vorher und auch danach mit sehr vielen Menschen darüber geredet, weil mich die verschiedenen Meinungen sehr interessieren. Ich persönlich fände es schwierig mich zu entscheiden, weil ich beide Seiten verstehe und das ganze Thema sehr komplex ist. Die Nein-Wähler und das sind in meiner Umgebung sehr viele wollen auf jeden Fall Frieden, allerdings wollen sie der Farc nicht so viele Rechte zusprechen, wie sie mit diesem Vertrag bekommen würden. Also sie haben gegen diesen Vertrag gestimmt, aber nicht gegen den Frieden!! Meine Familie zum Beispiel hat auch nein gewählt und als ich sie gefragt habe warum, wurde die Stimmung sehr emotional und meine Gastschwester und Mama haben angefangen zu weinen, weil sie sind Vertriebene aus einer Region, wo die Guerilla sehr präsent waren. Sie haben über Jahre hinweg im Krieg gelebt und haben immer noch unter Hunger gelitten, als sie schon in Medellín waren, weil sie hier ja auch erstmal nichts hatten. Und weil ihnen die Farc das angetan hat, wollen sie jetzt nicht, dass die Farc so viel Geld bekommt, geschweige denn politisches Mitbestimmungsrecht. Auf der anderen Seite hätte dieser Friedensvertrag der Beginn einer Revolution im ganzen Land werden können und hätte nicht nur die Farc betroffen, sondern das gesamte Bildungssystem, Arbeitsplätze, etc. Am Abend der Wahlen war ich bei einem Public Viewing, wo lauter junge, revolutionäre Studenten waren, die alle Ja gewählt hatten. Jeder dachte eigentlich, dass das Ja auch gewinnt (sogar die Nein-Wähler), darum kippte die Stimmung plötzlich extrem und alle haben geweint und waren echt am Boden zerstört. Ich habe noch nie in meinem Leben so eine Stimmung erlebt…

Auch wenn dieser Friedensvertrag gescheitert ist, habe ich den Eindruck, dass das Land müde ist von 52 Jahren Krieg und sich jetzt trotzdem einiges tun wird! Vor ein paar Tagen zum Beispiel war ein Friedensmarsch, wo alle in weißer Kleidung und mit Kerzen für den Frieden gelaufen sind. Es bleibt spannend…. Uns wurde aber auch schon gesagt, dass die Botschaft und WI jetzt noch mehr auf unsere Sicherheit achten werden und sobald es kritisch wird, bin ich zurück in Deutschland… Aber das hoffen wir jetzt mal nicht und glaube ich auch nicht!!

Zu guter Letzt möchte ich gerne noch von einer tollen Begegnung erzählen mit einem Franziskaner, den ich im Bus auf dem Weg zum Public Viewing am Tag der Abstimmung kennengelernt habe. Er heißt Mario und hat gesehen, dass ich nicht von hier bin und war sehr interessiert daran, was wir hier machen. Er hat vor 20 Jahren in dem Barrio gelebt, wo ich gerade wohne und musste hier zum Wählen gehen. Mario hat Ja zum Friedensvertrag gesagt und seine Sicht über die ganze Geschichte war sehr interessant und hat mir Vieles besser erklären können. Er ist schon viel gereist und ist ein sehr weltoffener und sympathischer Mensch. Am Ende habe ich ihn noch nach dem Weg zum Theater gefragt und er hat mich extra noch bis dort hingebracht, damit ich mich nicht verlaufe und unterwegs hat er mich dann noch auf ein Eis eingeladen. Das war ein tolles Erlebnis und eines Tages werde ich ihn in seiner Kirche besuchen.

Schönes Wochenende Euch allen!

Hasta Luego!!

Liebe Grüße aus Medellín Alexandra